Von vagen Formulierungen und Schwierigkeiten in der Schneeprognose


Wo liegen die Schwierigkeiten in der Schneeprognose und warum ist es manchmal nicht möglich eine klare Prognose zu formulieren? Darum geht es im heutigen Tagesthema.

In den Wetter- und Warnlageberichten liest man häufig Formulierung wie: "Teils als Schnee, teils als Regen", "Gebietsweise kann sich auch im Tiefland eine Schneedecke bilden" oder "Kann es streckenweise glatt werden". Dies sind oft sehr vage Formulierungen, bei denen der Leser am Ende nicht weiß, gibt es nun Regen oder Schnee, bleibt der Schnee liegen oder nicht und ist es auf meiner Fahrtstrecke glatt?

Oft kommt dann die berechtigte Frage auf, warum wir da keine klare Aussage liefern können. Darauf gibt es zwei mögliche Antworten: 1.) Es gibt größere regionale Unterschiede oder 2.) Wir wissen es schlichtweg nicht genau. Aber wie kann es sein, dass wir trotz der vielen Modelle und schnellen Rechner nicht wissen, ob es nun schneit und glatt wird, oder nicht?

Um darauf antworten zu können, müssen wir etwas genauer schauen, welche Randbedingungen für das Auftreten von Schneefall eine Rolle spielen.
Eine wichtige Komponente ist natürlich die Temperatur. Dabei spielen verschiedene Temperaturgrößen eine Rolle. Klassischerweise kennt man ja die Temperatur in 2 m Höhe. Allerdings kann es durchaus auch bei positiven Werten schneien. Eine bessere Aussagekraft liefert da die sogenannte Feuchttemperatur. Das ist ein Temperaturmaß, das sagt, wie die Temperatur sein wird, wenn die Luft 100 % gesättigt ist. Die Feuchttemperatur liegt vor dem Niederschlagsereignis häufig niedriger als die "normale" Lufttemperatur. Wenn der Niederschlag einsetzt beginnt dieser in der noch nicht gesättigten Luft zu verdunsten. Dafür ist Energie notwendig, die der Umgebungsluft entzogen wird. Was passiert also? Die Temperatur sinkt und die Luftfeuchte steigt an. Das geschieht solange bis Sättigung erreicht ist. Die Feuchttemperatur sagt also vereinfacht, wie stark die fühlbare Temperatur absinkt, wenn das Niederschlagsereignis in Gang kommt.

Bei Feuchttemperaturen die unterhalb von 1 bis 1.5 Grad liegen ist es in aller Regel so, dass die aus höheren Luftschichten zu Erde fallenden Eiskristalle und Schneeflocken nicht komplett abschmelzen können. Es fällt dann also in aller Regel Schnee. Liegt die Feuchttemperatur aber über 1.5 Grad, ist mit Regen zu rechnen. Darüber hinaus muss auch noch die Temperatur des Bodenbelags berücksichtigt werden. Selbst wenn es den ganzen Tag schneit, kann sich bei positiv temperierten Belägen keine Schneedecke bilden.

Soweit klingt das noch recht simpel, es gibt aber doch einige Faktoren, die den Sachverhalt nochmal verkomplizieren. Ein Faktor ist die sogenannte Durchmischung. Wenn ein lebhafter Wind weht, wird Luftmasse in den unteren Luftschichten gut durchmischt, wie mit einem Quirl. Wenn der Wind allerdings nur schwach ist, fehlt dieser Effekt. Weil kalte Luft aufgrund einer höheren Dichte schwerer ist, als warme Luft, kann sich bodennah ein Kaltluftfilm bilden. Dieser Effekt kann noch zusätzlich durch die Intensität des fallenden Niederschlags verstärkt werden. Bei stärkeren Intensitäten kommt die Niederschlagsabkühlung besser zum Tragen, als bei schwächeren Niederschlagsereignissen.

Noch komplizierter wird es, wenn das Bergland mit ins Spiel kommt. In Tälern kann sich je nach Anströmrichtung die Kaltluft länger halten bzw. stärker anreichern, als im flachen Land (Prinzip Badewanne). Damit kann es in manchen Regionen tiefer nach unten schneien, als andernorts. Folglich ergibt sich eine regional stark schwankende Schneefallgrenze. Im Bergland kommen darüber hinaus noch lokale Staueffekte hinzu.

Bei klaren Temperaturverhältnissen ist dies in aller Regel kein größeres Problem. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt sind die beschrieben Einflussfaktoren aber das Zünglein an der Waage. Zumal man auch berücksichtigen muss, dass die Modellprognosen mit Fehlern behaftet sind.

Was bleibt uns in solch einem Fall? Wir nutzen Formulierungen, die die Spannbreite an Möglichkeiten und die bestehenden Unsicherheiten abdecken. Bei den Warnungen werden zunächst die Dinge bewarnt, die als recht gesichert eingestuft werden. Beispiel: Im Norden war in der vergangenen Nacht absehbar, dass es durch Schneematsch oder überfrierende Nässe glatt werden kann. Es war aber noch unsicher, ob der Schnee auch verbreitet liegen bleibt. Daher wurde zunächst eine Glättewarnung herausgegeben. Als sich abzeichnete, dass sich beispielsweise im Hamburg auch eine Schneedecke ausbildet, wurde eine entsprechende Schneefallwarnung nachgezogen.

Vielleicht können Sie die vagen Formulierungen und die Problematik in der Schneevorhersage nun etwas besser einordnen, denn auch in den Folgetagen bleibt diese Problematik bei Temperaturen um den Gefrierpunkt bestehen.


Dipl.-Met. Marcus Beyer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 07.01.2021

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