Steht uns durch die Kältewelle seit längerem wieder ein "zu kalter" Monat bevor?
Die Kälte hat Deutschland fest im Griff. Tagelang leichter bis mäßiger Dauerfrost und teilweise sehr strenge Nachtfröste - das hatten wir länger nicht und erweckt zunehmend den Eindruck, der diesjährige Februar könnte tatsächlich mal wieder ein "zu kalter" Monat werden.
Nun, da der subjektive, im Zuge der Klimaerwärmung möglicherweise verzerrte Eindruck durchaus täuschen kann, soll an dieser Stelle auf die "nackten Zahlen" geschaut werden.
Um festzulegen, ob ein Monat meteorologisch gesehen "zu kalt", "normal" oder "zu warm" ausgefallen ist, vergleicht man zwischen den aktuell gemessenen und den über viele Jahre gemittelten Temperaturen, der sog. "Referenz". Gängig und von der
Welt-Meteorologie-Organisation (WMO) empfohlen sind dabei (mindestens) 30-jährige "Klimareferenzperioden". Der lange Mittelungszeitraum ist notwendig, um für diesen Zeitraum oder die Klimaperiode charakteristische Werte zu erhalten und nicht ein Abbild der kurzlebigen, für die Witterungsperiode typischen Temperaturschwankungen. Die fortwährende, ungebremste Klimaerwärmung dagegen spiegelt sich sehr wohl in den Referenzperioden wider und sorgt dafür, dass sich die Temperaturmittelwerte unterschiedlicher Referenzperioden für die einzelnen Monate deutlich unterscheiden. Je jünger die Referenz, desto höher liegen die Mitteltemperaturen. Dem subjektiven Eindruck am nächsten kommt sicherlich noch die aktuelle Referenzperiode 1991-2020. Dennoch soll auch ein Vergleich mit der bekanntesten, bis zum letzten Jahr noch gültigen Referenzperiode 1961-1990 durchgeführt werden.
Ein Blick auf die über die einzelnen Bundesländer gemittelten Temperaturen vom 1. bis zum 12. Februar 2021 verdeutlicht, warum sich eine Mittelwertbildung über ganz Deutschland zurzeit eigentlich verbietet (Abbildung 1 auf
https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2021/2/13.html). Es zeigt sich nämlich ein recht starkes Südwest-Nordost-Gefälle - eine Folge der vergangenen andauernden Grenzwetterlage mit bereits kaltem Norden und Nordosten und noch sehr mildem Süden und Südwesten. Bezüglich 1961-1990 ist der Februar in den Bundesländern im Norden, Osten und in der Mitte bis dato 3 bis 4 Grad, bezüglich 1991-2020 teilweise sogar über 5 Grad zu kalt! Weiter im Süden und Südwesten dagegen, also vor allem im Saarland, in Baden-Württemberg und in Bayern, verläuft der Februar bisher im Mittel (!) relativ "normal". Die negativen Abweichungen hinsichtlich 1991-2020 sind nur marginal, im Hinblick auf 1961-1991 müsste man dem Monat bis hierher für Bayern und Baden-Württemberg sogar noch den Stempel "leicht zu warm" aufdrücken. Im (wenig aussagekräftigen) Deutschlandmittel ergibt sich ein Minus von 2,1 Grad (1961-1990) bzw. ein Minus von 3,2 Grad (1991-2020).
Die Grundlage für einen zu kalten Monat ist sowohl bezüglich der Referenzperiode 1961-1990 als auch 1991-2020 geschaffen. Doch wie geht es weiter?
Tendenziell deutet sich in der kommenden Woche von Westen her eine Milderung an. Zum einen ist aber völlig unklar, wie effektiv und schnell sich die mildere Luft nach Osten zu durchsetzen kann, zum anderen sind bei der vorherrschenden Großwetterlage erneute Kaltluftvorstöße durchaus im Bereich des Möglichen. Das betrifft besonders die Nordosthälfte Deutschlands.
Abbildung 2 zeigt die gemessenen, täglichen Temperaturabweichungen für Deutschland bezüglich 1991-2020 und wie sie von den einzelnen Modellen bis Monatsende berechnet werden (blau: ICON-EU, violett: GFS, rot: GFS-Ensemblemittel). Sehr eindrücklich ist das Auf- und Ab der Abweichungen zwischen 01. und 10. Februar. Das tiefe, breite Tal ab dem 06. Februar, hervorgerufen durch den sich nach Süden durchsetzenden Kaltlufteinbruch, ist verantwortlich dafür, dass der Monat unter dem Strich zurzeit zu kalt ausfällt. Den Abweichungen nach zu urteilen, war es in Deutschland zuletzt 8 bis 10 Grad kälter als im vieljährigen Mittel. Die Talsohle scheint nun aber erreicht, denn alle Modelle rechnen mit einem deutlichen Rückgang der negativen Abweichungen. Ab 16. Februar soll modellübergreifend sogar die "Nulllinie" überschritten werden und fortan positive Temperaturabweichungen zwischen 1 und 7 Grad vorherrschen. Dementsprechend ist anhand der fortlaufenden Temperaturabweichung (Abbildung 3) ersichtlich, dass die negativen Abweichungen im weiteren Monatsverlauf sukzessive aufgezehrt werden sollen. Nach aktuellem Modellstand ist die Milderung aber nicht stark und durchgreifend genug, sodass zumindest geringfügige negative Temperaturabweichungen bis etwa 1 Grad bezogen auf 1991-2020 übrigblieben. Im Hinblick auf 1961-1990 würde es dagegen schon richtig knapp werden, nach dem aktuellen GFS-Ensemble schlügen zum Ende sogar leicht positive Abweichungen zu Buche.
Bleibt zu konstatieren, dass ein "zu kalter" Monat trotz der außergewöhnlichen Kältewelle alles andere als sicher ist. Während die Chancen auf Basis der Referenz 1991-2020 aber durchaus nicht schlecht stehen, verschlechterte sich die Perspektive auf den auf Basis der Referenz 1961-1990 ersten zu kalten Monat seit Mai 2019 nach den letzten Modellsimulationen deutlich.
Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 13.02.2021
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst