Vor einigen Tagen ist auf Island ein kleiner Vulkan ausgebrochen. Er zieht selbst die Isländer in seinen Bann und sorgt im Zusammenspiel mit einer weiß verschneiten Landschaft für tolle Impressionen.
Am Abend des 19. März, um 20:45 UTC, war es soweit - auf der isländischen Halbinsel Reykjanes tat sich die die Erde auf und aus einer Spalte gelangt seither glühende Lava an die Erdoberfläche. Der Ausbruch kam keineswegs überraschend. Schon einige Wochen zuvor gab es eine rege Erdbebenaktivität mit täglich Hunderten von kleinen und einzelnen mittleren Beben, die auf einen baldigen Vulkanausbruch hindeuteten. Heiße Magma sammelte sich unterhalb der Erdkruste und der Druck stieg kontinuierlich an, bis letztendlich die Erdkruste aufbrach. Schnell bildete sich im Tal Geldingadalur, ca. 30 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Reykjavik, ein kleiner Krater, aus dem seither kleine Lavafontänen in die Höhe speien und Lavaströme fließen ins Tal aus. Der Krater hat mittlerweile auch einen eigenen Namen: Fagradalsfjalli, also der "kleine Bruder" des nahegelegenen Vulkansbergs Fagradalsfjall.
Er zieht (nicht nur) die Isländer in seinen Bann. Insbesondere die Nähe zu Reykjavik, in der etwa ein Drittel der isländischen Bevölkerung wohnt, macht ihn zum Besuchermagnet. Viele Isländer wanderten schon zum Vulkan und bestaunten das beeindruckende Naturspektakel. Die kleinen Fontänen des speienden Kraters sind ebenso beeindruckend wie die glühenden Lavaströme, die zähflüssig wie Honig das Tal mehr und mehr füllen, bis die Lava schließlich zu schwarzem Lavagestein erstarrt. Einige Zuschauer übernachten sogar vor Ort, um die glühenden Lavaströme und die Fontänen in der Dunkelheit zu erleben, wenn sie für eine besonders eindrucksvolle Stimmung sorgen.
Wem diese Wanderung zu waghalsig erscheint oder wer ohnehin nicht die Gelegenheit bekommt, den Vulkan vor Ort zu betrachten, der muss auf dieses Naturschauspiel nicht verzichten. Dank einer dort aufgestellten Webcam kann jeder von zuhause aus live die Faszination des Vulkanismus erleben. Den Link zur Live-Webcam finden Sie am Ende des Artikels. Doch nicht nur für Vulkanologen ist die Webcam zu empfehlen. Auch Meteorologinnen und Meteorologen kommen voll auf ihre Kosten und können das wandelhafte und raue isländische Wetter live verfolgen. An einem Tag gibt es Sonnenschein und heftige Schneestürme fast im Minutenwechsel, am nächsten Tag spuckt der Vulkan Lava in einer kargen Landschaft. Aktuell ist die Landschaft rund um den Vulkan weiß verschneit. Weiße Hügel, schwarze Lava und rot glühende Lavafontänen in Kombination sind ein wahrer Augenschmaus.
Anders als in anderen europäischen Ländern ist das "Veðurstofa Íslands" (Icelandic Met Office), der Isländische Wetterdienst, nicht nur für alles rund um die Physik der Atmosphäre, sondern auch für die Physik der festen Erde zuständig. Neben Experten für Wetter und Klima beschäftigt die Behörde also auch Experten für Seismik und Vulkanismus. Sie hatten bereits vor Ausbruch des Vulkans die Halbinsel Reykjanes im Fokus und entwickelten Szenarien für zukünftige seismische und vulkanische Vorgänge in dieser Region. Auch aktuell wird rege die neue vulkanisch aktive Zone beforscht, von Messungen vor Ort über Satelliten bis hin zu Modelldaten.
Wie es mit der vulkanischen Aktivität weitergeht, ist allerdings noch unklar. Es besteht den Experten zufolge die Möglichkeit, dass die Eruption in den kommenden Tagen oder Wochen stückweise nachlässt. Möglich ist aber auch, dass sich neue vulkanische Spalten in der Nähe des Vulkans oder entlang der Ränder der unterirdischen Lavakammer nahe des Fagradalsfjalls öffnen. Die Wahrscheinlichkeit für größere Erdbeben hat aufgrund der andauernden vulkanischen Aktivität im Bereich der aktiven Zone allerdings abgenommen. Dennoch könnte ein Erdbeben bis zur Magnitude 6.5 in einem weiteren vulkanischen System weiter östlich des aktuellen Vulkans getriggert werden (weitere Informationen hierzu erhalten Sie auf der Homepage des Isländischen Wetterdienstes, siehe angefügter Link).
Das "Veðurstofa Íslands" misst zudem die Konzentration von Gasen wie SO2 (Schwefeldioxid), SO4 oder CO2, berechnet mit
Ausbreitungsmodellen die Verfrachtung dieser Gase und warnt die Bevölkerung vor Gefahren des Vulkans. Anders als beim gewaltigen Ausbruch des Eyjafjallajökull aus dem Jahre 2010, der Asche bis in die obere Atmosphäre katapultierte und den europäischen Flugverkehr tagelang lahmlegte, sind die Auswirkungen auf die Bevölkerung beim aktuellen Vulkanausbruch gering. Dennoch wird stets beobachtet, ob die Gas-Konzentration in besiedelten Gebieten oder zumindest im Tal Geldingadalur, in dem sich die Lava ausbreitet, gefährliche Werte annimmt. Zu guter Letzt warnt der Wetterdienst auch vor Gefahren für die Schaulustigen. So können beispielsweise jederzeit und ohne Vorankündigung neue Spalten aufbrechen, glühende Lavabrocken können sich von den Lavafronten lösen oder es kann zu Explosionen kommen, wenn Lava auf nassen Untergrund trifft. Im Zweifel ist es also ungefährlicher und bequemer, so wie der Autor des heutigen Artikels, das Vulkanspektakel live am Bildschirm zu verfolgen.
Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 30.03.2021
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst