Im Allgemeinen wird die Tageshöchsttemperatur in unseren Breiten im Sommer am frühen Abend erreicht. Die Sonne hat ihren Tageshöchststand dagegen bekanntermaßen bereits zur Mittagszeit. Wie kann das denn eigentlich sein?
Unwetterartige Gewitter bestimmen seit dem gestrigen Montag wieder die Schlagzeilen beim Thema "Wetter" und das durchaus zu Recht. Auch heute wird das wieder so sein, es wird aber auch wieder viele Regionen geben, die davon überhaupt nichts mitbekommen werden. Dort kann die Sonne teilweise von einem wolkenarmen Himmel den ganzen Tag auf die Erde bruzzeln und so die Temperatur in die Höhe jagen.
Die Höchsttemperatur wird dabei meist erst gegen 18 Uhr erreicht, obwohl die Sonne ja bekanntlich zur Mittagszeit am höchsten steht und ihre Einstrahlung dann am kräftigsten ist. Abends fallen die Sonnenstrahlen dagegen nur noch ziemlich flach ein und haben kaum noch "Power". Wie passt das denn mit der Höchsttemperatur zusammen?
Das mag sich nun vielleicht komisch lesen, aber steigen wir dafür doch einfach einmal kurz in die leere Badewanne - bei offenem Abfluss. Drehen wir den Wasserhahn nun ein kleines Stück auf, fließt das Wasser direkt über den Abfluss wieder ab. An eine Füllung der Wanne ist bei diesem Rinnsal nicht zu denken. Das ist in etwa gleichzusetzen mit den ersten einfallenden Sonnenstrahlen am Morgen. Drehen wir den Hahn nun langsam weiter auf, stellen wir fest, dass das Wasser allmählich anfängt zu steigen (entspricht dem Vormittagsverlauf). Zur Mittagszeit ist der Hahn voll aufgedreht und das Wasser (respektive die Sonneneinstrahlung bzw. die Lufttemperatur) steigt stark an.
Im Anschluss wird der Hahn über den Nachmittag hinweg nun langsam wieder zugedreht, es fließt aber immer noch mehr Wasser von oben nach, als unten abfließt - das Wasser (also die Lufttemperatur) steigt also immer noch, wenngleich nicht mehr so schnell. Erst im Laufe des Abends wird der Punkt erreicht, an dem das nicht mehr der Fall ist - der höchste Wasserstand bzw. die Höchsttemperatur ist erreicht. Es fließt nun wieder mehr Wasser ab als nach und der Wasserstand sinkt. Auf die Luft übertragen, reicht die Einstrahlung der immer tiefer stehenden Sonne nicht mehr aus, um es mit der Abkühlung der Luft aufnehmen zu können.
Dasselbe Phänomen greift im Allgemeinen übrigens auch in umgekehrter Weise bei der Tagestiefsttemperatur, besonders in einer windschwachen und klaren Nacht. Die Tiefsttemperatur wir dabei meist erst kurz nach Sonnenaufgang erreicht, denn erst dann reicht die einfallende Sonneinstrahlung aus, um den Erdboden und darüber indirekt auch die Luft zu erwärmen.
Tatsächlich können Tageshöchst-, und -tiefsttemperatur im Prinzip aber zu jeder Tages- und Nachtzeit auftreten. So kann der Temperaturanstieg im Sommer auch schon mal zum Mittag beendet sein, wenn danach Schauer und Gewitter für eine Abkühlung sorgen. Im Winter kommt es dagegen auch immer wieder mal vor, dass die Temperatur nachts ihr Maximum erreicht, wenn beispielsweise eine Front kalte Luft durch deutlich mildere Atlantikluft ersetzt.
Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 29.06.2021
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