Auch wenn das aktuelle Wetter aus meteorologischer Sicht ein echtes Schauspiel darstellt, braucht es für die Vorhersage kein großes Theater. Ensembles nutzt man dafür aber trotzdem, denn diese spielen auch in der Welt der Wettermodelle eine wichtige Rolle.
Wenn es um Wettervorhersage geht, ist nur sicher, dass nichts sicher ist.
Unsicherheiten begleiten den Vorhersagemeteorologen jeden Tag bei seiner Arbeit und sind allgegenwärtig.
Je kleinräumiger die ablaufenden Prozesse in der Atmosphäre sind, desto wackliger ist die Vorhersage, denn die Wettermodelle können den Zustand der Atmosphäre nur mit einer begrenzten räumlichen Auflösung darstellen.
Außerdem gibt es diverse Wettermodelle mit verschiedenen physikalischen und numerischen Ansätzen, die dementsprechend unterschiedliche Vorhersagen zur Folge haben.
Ein weiterer Punkt, der zu Unsicherheiten in der Vorhersage führt, ist die Qualität der Erfassung des aktuellen Zustandes der Atmosphäre, der für die Berechnung einer Vorhersage benötigt wird. Dabei lässt sich sagen: Je genauer die Messung des Ist-Zustandes, desto genauer auch die Vorhersage für die Zukunft.
Die Unsicherheiten und Abweichungen müssen aber nicht notwendigerweise ein Nachteil sein.
Stattdessen kann man sich diese Unterschiede zunutze machen, um Aussagen über die Unsicherheit einer Vorhersage zu treffen. Dabei macht man sich zum Beispiel die Tatsache zu eigen, dass die Atmosphäre ohnehin nicht genau genug vermessen werden kann, um einen fehlerfreien Anfangszustand im Modell zu generieren. Der Trick ist dabei, dass man das selbe Modell mehrere Male die gleiche Vorhersage rechnen lässt, aber für jeden Modelllauf die Anfangsbedingungen leicht modifiziert.
Daraus erhält man dann viele verschiedene Vorhersagen. Je nachdem, in welchem Maße sich diese Vorhersagen unterscheiden, lässt sich eine Aussage darüber ableiten, wie empfindlich die Vorhersage auf Messunsicherheiten reagiert.
Daraus kann der Vorhersager wiederum schließen, wie sehr er der Hauptvorhersage mit den "echten" Messwerten vertrauen darf.
Mit diesen Ensemble- oder auch statistischen Vorhersageverfahren lassen sich aber noch andere Aussagen treffen.
Aus der Anzahl der Ensembleläufe lassen sich statistische Werte ableiten, die in der Praxis vor allem für die Vorhersage von sehr variablen Parametern wie Wind und Niederschlag genutzt werden. Ein vielgenutzter statistischer Wert ist dabei das sogenannte Perzentil, und hier meist das 10%-, 50%- und 90%-Perzentil. Einen Perzentilwert für eine Vorhersage erhält man, indem man alle Werte einer Ensemble-Vorhersage nach ihrer Größe sortiert, und dann denjenigen Wert auswählt, bei dem 10%/50%/90% aller anderen Werte darunter liegen.
Das 50%-Perzentil ist auch unter einem anderen Namen bekannt: Es handelt sich hierbei um den Median-Wert, bei dem die Hälfte aller verfügbaren Werte entweder darunter oder darüber liegen. Das 90%-Perzentil liefert dagegen zum Beispiel einen guten Anhaltspunkt für das mögliche maximale Potential bei einer Niederschlags- oder Wind-Vorhersage.
Eine andere, oft genutzte statistische Größe sind Wahrscheinlichkeitsaussagen für das Überschreiten einer bestimmten (Warn-)Schwelle.
Diese werden aus der Anzahl der Modellläufe abgeleitet, die ober- oder unterhalb dieser Schwelle liegen.
So kann man zum Beispiel Wahrscheinlichkeitsaussagen (in Prozent) treffen, mit der eine Warnschwelle für Niederschlag (zum Beispiel 30 Liter innerhalb von 6 Stunden) oder Windgeschwindigkeit (zum Beispiel Windspitzen größer 50 km/h in 3 Stunden) überschritten werden.
Diese statistischen Verfahren sind neben den deterministischen Methoden das wichtigste Werkzeug des Vorhersagemeteorologen. Auch für das aktuelle Wetter spielen sie wieder eine wichtige Rolle.
Ein Tiefdruckgebiet liegt dabei aktuell über Deutschland und sorgt in außergewöhnlich feuchter Luftmasse für teils extreme Niederschlagsmengen mit Schwerpunkt in der Eifel und Umgebung. Um dabei die möglichen Mengen abzuschätzen, kommen hier zum Beispiel die Perzentilwerte zum Einsatz, mit denen man die Größenordnung möglicher Niederschlagsspitzen abschätzen und dementsprechend das Warnmanagement danach ausrichten kann.
M.Sc. Felix Dietzsch
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 13.07.2021
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