Im heutigen Thema des Tages wird erklärt, warum es im Bergland kälter ist, als in den Tieflagen, obwohl man näher an der Sonne ist. Und warum das manchmal dann doch nicht so ist.
Ganz naiv gedacht könnte man vielleicht auf die Idee kommen, dass die Temperatur doch mit der Höhe zunehmen muss ... schließlich kommt man der Sonne mit dem Aufstieg der Sonne immer näher. Natürlich wird es prinzipiell wärmer, je mehr man dem Himmelsgestirn näherkommt. Die Sonne ist aber 150 000 000 km weit entfernt, während die höchsten Berge eine Höhe von gerade einmal knapp 9 km haben. Man merkt also schnell, dass diese Argumentation sehr an den Haaren herbeigezogen ist.
Es gibt noch eine andere Überlegung, bei der erneut die Sonne ins Spiel kommt. Ein Teil der von ihr ausgesendeten kurzwelligen Strahlung erreicht den Erdboden und wird von ihm aufgenommen (absorbiert). Gleichzeitig sendet (emittiert) der Erdboden langwellige Wärmestrahlung aus. Diese Strahlung sorgt für eine Erwärmung der unteren Luftschichten. Vor allem an heißen Sommertagen kann man diese Strahlung sogar als eine Art Flimmern über asphaltierten Straßen erkennen.
Aber ist das der eigentliche Grund dafür, dass die Luft mit der Höhe kälter wird? Würde man dieser Argumentation folgen, dann müsste es auf den Bergen ebenfalls warm werden. Schließlich wird auch dort kurzwellige in langwellige Strahlung umgewandelt. Natürlich hat der beschriebene Prozess einen gewissen Einfluss auf die Temperatur am Erdboden. Wäre dem nicht so, würde es zwischen Tag und Nacht keine Temperaturunterschiede geben. Als Antwort auf die Ausgangsfrage, ist diese Begründung allerdings nicht verwendbar.
Was ist denn nun aber die eigentliche Ursache? Es hat gar nichts mit der Sonne zu tun, sondern mit unserer Atmosphäre und der physikalischen Definition von Temperatur. Die Luft besteht aus kleinen Teilchen, die sich bewegen. Durch die Bewegung kommt es zu Reibung und Zusammenstößen zwischen den Teilchen. Damit wird Wärme erzeugt. Je schneller sich die Teilchen bewegen, desto höher ist demnach die Temperatur.
Nun muss man noch bedenken, dass die Masse an Luft in der Atmosphäre einen gewissen Druck auf uns alle ausübt. Und da liegt die Lösung des Rätsels. Der Druck nimmt nämlich mit der Höhe ab. Dies ist recht verständlich, schließlich lässt man so einige Luftmoleküle unter sich, wenn man auf einen Berg steigt.
Soweit so gut, aber was hat das nun mit der Temperatur zu tun? Ganz einfach: Je mehr Druck ausgeübt wird, desto schneller bewegen sich die Teilchen. Eine schnellere Bewegung führt aber wiederum zu einer höheren Temperatur und damit schließt sich der Kreis. Anschaulich lässt sich dieses Phänomen auch mit einer Luftpumpe nachvollziehen. Wenn man bei einer Luftpumpe drückt, dann wird diese bekanntlich wärmer.
Also: Da der Luftdruck mit der Höhe abnimmt, verlangsamt sich die Teilchenbewegung und damit nimmt die Temperatur ab.
Wer sich allerdings in den vergangenen Tagen auf den Weg gemacht und von den Tälern auf die Berge gestiegen ist, der könnte auf die Idee kommen, dass dies alles gar nicht stimmt. Beispiel am gestrigen Samstag: Das Maximum in Mainz und Wiesbaden lag nur bei 7 Grad Celsius, auf dem Feldberg im Taunus wurden hingegen 10 °C gemessen und auf dem Hoherodskopf im Vogelsberg sogar 12 °C. Dabei handelt es sich um ein Phänomen, das besonders in der kalten Jahreshälfte unter Hochdruckeinfluss auftritt. Man spricht dann von einer Inversionswetterlage, wobei eine Inversion eine Temperaturumkehr mit der Höhe darstellt.
Grundlegend dafür sind zwei Dinge. Da ist zum einen die Absinkbewegung der Luft durch den Hochdruckeinfluss. Wenn Luft absinkt, dann erwärmt sie sich.
Diese Erwärmung kann sich aber auf der anderen Seite nicht bis zum Boden durchsetzen. Die Ursache dafür liegt in der schwachen Luftströmung infolge der geringen Luftdruckgegensätze im Zentrum von Hochdruckgebieten.
Der Wind hat normalerweise, die Aufgabe die Luft in den bodennahen Schichten (Grenzschicht) mit den höheren Luftschichten zu durchmischen. Fehlt er aber, dann wird die Grenzschicht von den darüber liegenden Luftschichten entkoppelt. Es bleibt also in den untersten 100 Metern kalt und auch die "schwache" Sonne kann daran im Herbst und Winter nicht viel ändern.
Oberhalb der Grenzschicht liegt in der Folge die warme Luft wie ein Deckel auf der schwereren kalten Luft darunter. Leider sammeln sich dadurch bei länger andauernden Hochdruck- und Inversionswetterlage auch zunehmend Schadstoffe, zum Beispiel durch Holzöfen.
Gerade bei austauscharmen Wetterlagen empfiehlt sich also immer ein Aufstieg in höhere Berglagen um der kalten und manchmal stinkenden Luftmasse zu entkommen.
Dipl.-Met. Marcus Beyer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 31.10.2021
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