Fallende Regentropfen nehmen unterschiedlichste Formen an. Sie sehen nur nicht so aus, wie man sich einen "typischen" Tropfen vorstellt.
"Ein großer Regentropfen hat - im Gegensatz zu seiner typischen Darstellung - in Wirklichkeit oftmals eher die Form eines ...? A: Pizzastücks, B: Dönerspießes, C: Hamburgerbrötchens, D: Brathähnchens". So lautete vor einigen Wochen eine Frage in einer bekannten Quizshow im deutschen Fernsehen. Vielleicht haben Sie die Sendung auch gesehen und waren verwundert über diese doch ziemlich skurrilen Antwortmöglichkeiten? Per Ausschlusskriterium könnte man der Lösung der Frage womöglich ein Stückchen näherkommen. Aber was steckt genau hinter der Form von fallenden Wassertropfen?
Die Entstehung von Regentropfen in der Atmosphäre ist ein derart komplexer Prozess, sodass man ein eigenes Thema des Tages darüber schreiben könnte. Beschränken wir uns heute nur auf das Wichtigste: Eine Wolke besteht aus winzigen Wassertröpfchen und Eiskristallen. Diese winzigen schwebenden Teilchen interagieren miteinander. Sie fangen ihre Nachbarteilchen ein, verschmelzen zu größeren Gebilden, ändern ihre Phase von flüssig zu fest (und umgekehrt) und können sich auch wieder teilen. Sind die zusammengewachsenen Teilchen groß und damit schwer genug, fallen sie aufgrund der Schwerkraft nach unten. Größere Regentropfen waren im Laufe ihres doch recht kurzen "Lebens" meist im oberen Bereich der Wolke zunächst ein Konglomerat aus Schnee- und Eiskristallen, die beim Fallen in eine wärmere Luftschicht weiter unten zu Wassertropfen schmelzen.
Die Form dieser Regentropfen kann ganz unterschiedlich aussehen. Um eines gleich vorweg zu nehmen: die "typische" Tropfenform (oben spitz, unten rund) wird man am Himmel vergeblich suchen. Tropfen sind auch nicht länglich. Dass dies für den Beobachter so aussieht, liegt daran, dass unser Auge nicht schnell genug ist, die fallenden Tropfen nachzuverfolgen. Dies erweckt den Anschein, als ob Regentropfen wie Nadeln vom Himmel fallen.
Das Aussehen eines Regentropfens hängt maßgeblich von seiner Größe ab. Dabei spielen zwei auf den Tropfen wirkende Drücke die entscheidende Rolle. Das wäre zum einen der Luftdruck, der auf die Oberfläche des Tropfens wirkt, und zum anderen der Innendruck des Tropfens, der diesen zusammenhält. Der Tropfeninnendruck hängt wiederum von der Oberflächenspannung des Wassers, von seinem Radius sowie dem äußeren Luftdruck ab (genaugenommen ist der Innendruck die Differenz zwischen dem kapillaren Krümmungsdruck und dem von außen wirkenden statischen Druck). Dabei ist der Innendruck umso größer, je kleiner der Tropfen ist (bzw. umso stärker die Tropfenoberfläche gekrümmt ist). Bei sehr kleinen Regentropfen von weniger als 1 bis 2 Millimetern (mm) Durchmesser ist der Innendruck viel stärker als der auf den fallenden Tropfen wirkende Luftdruck. Der Tropfen behält dadurch seine Kugelform bei. Nieseltröpfchen sind also nahezu kugelförmig.
Das ändert sich bei stärkerem Regen mit Tropfendurchmessern von 2 bis 5 mm. Der Innendruck des Tropfens wird geringer. Gleichzeitig verstärkt sich der Luftdruck, der auf den fallenden Tropfen wirkt, da größere Tropfen schneller fallen als kleinere. Der Luftwiderstand an der Unterseite des Tropfens führt daher zu einer Abplattung, während die Oberseite in etwa halbkugelförmig bleibt. Der Tropfen nimmt also die Form eines Burgerbrötchens an.
Wird der Regen noch stärker und die Tropfen noch größer, kommt es an der Unterseite zu einer Eindellung; der Tropfen sieht dann wie ein Pilzhut aus. Bei heftigem Platzregen (z.B. bei einem Gewitter) kommen sogar Tropfen mit einem Durchmesser von bis zu 9 mm vor. Der Luftwiderstand auf den mit hoher Geschwindigkeit fallenden Tropfen ist dann so stark, dass dieser zu einem Fallschirm-artigen Gebilde deformiert wird. Würde der Tropfen noch größer werden, könnte der Innendruck des Tropfens dem Luftdruck nicht mehr standhalten. Der "Fallschirm" wird instabil und zerreißt an der Oberseite in zwei kleinere Tropfen. Regentropfen können also nicht beliebig groß werden. Tropfen größer als 9 mm Durchmesser sind auf der Erde also unter Normalbedingungen physikalisch nicht möglich.
Zurück zum Quiz: "C: Hamburgerbrötchen" war also die richtige Antwort auf die gestellte Frage. Die Kandidatin entschied sich übrigens intuitiv und ganz ohne fremde Hilfe für die richtige Antwort. Für die physikalischen Hintergründe hat ihr Wissen aber nicht gereicht.
Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 16.01.2022
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