Es wird ein detaillierter Blick auf die Niederschlagsbilanz des April 2022 geworfen und gezeigt wie großräumige und über einen größeren Zeitraum betrachtet Statistiken fehlleiten können.
Schaut man auf die Niederschlagsstatistik des fast vergangenen Aprilmonats, so ergibt sich im Vergleich zur Klimareferenzperiode von 1991 bis 2020 im Flächenmittel über Deutschland ein Plus von nahezu 25 %. Und auch im Vergleich zur Periode 1961 bis 1990, als die Aprilmonate im Schnitt noch deutlich nasser waren, zeigen sich nur leicht negative Abweichungen.
Gleichzeitig mehren sich Meldungen in der Presse, die eine andere Sprache sprechen. Der RBB schreibt: "In fast allen Brandenburger Landkreisen besteht hohe Waldbrandgefahr." Und die Lübecker Nachrichten melden: "Landwirte in Schleswig-Holstein sehnen Regen herbei."
Wie passt das eigentlich zusammen?
Ein wichtiger Punkt sind die vorhandenen großen regionalen Unterschiede in Deutschland (siehe Grafik unter
https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2022/4/30.html) . So gibt es Regionen in Deutschland, wo nicht einmal 50 % der zu erwartenden Niederschlagsmengen im Gesamtmonat gefallen sind (z.B. in der Leipziger Tieflandsbucht, Flughafen Leipzig/Halle:14.4 l/m² (33 %), während andernorts sogar fast das Doppelte der durchschnittlichen Monatsmenge erreicht wurde (z.B. in der Nordhälfte von Baden-Württemberg, Stuttgart-Schnarrenberg: 98.2 l/m² (183 %). Im Flächenmittel über Deutschland heben sich diese Unterschiede dann wieder auf.
Setzt man die regionale Brille auf, fällt also auf, dass besonders der Osten des Landes, der Alpenrand und die Regionen in Richtung Eifel unterdurchschnittliche Mengen bekommen haben.
Aber was ist mit dem dringend herbeigesehnten Regen im Norden Deutschlands? Die Niederschlagsbilanz weist für den Monat April sogar klar überdurchschnittliche Mengen selbst für die Referenzperiode von 1961 bis 1990 aus. Und damit gelangt man zum zweiten Problem mit der Monatsstatistik. Diese liefert nämlich keinerlei Aussage darüber, wann die Niederschläge gefallen sind und wie oft es geregnet hat. Theoretisch könnten sogar ein oder zwei kräftigere Gewitter die Monatsmenge bringen und in der Gesamtmonatsbilanz unauffällig erscheinen.
Greift man sich den Norden heraus, so sieht man, dass in Schleswig-Holstein der letzte nennenswerte Regen noch vor Ende der ersten Dekade gefallen ist. So ist es beispielhaft in St. Peter-Ording seit einschließlich des 11. April durchgehend trocken und häufig ganztags sonnig. Oder anders gesagt: Seit drei Wochen hat es in Schleswig-Holstein nicht mehr geregnet. Gleichzeitig befindet sich die Vegetation im Frühlingsmodus und der Wasserbedarf steigt deutlich an.
Und es gibt noch einen dritten Punkt. Die Monatsbilanz sagt nichts über die Vorgeschichte aus. Der vorangegangene März war nicht nur der mit Abstand sonnigste seit Aufzeichnungsbeginn (siehe auch: https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2022/3/30.html), sondern zählte auch zu einen der trockensten Märzmonate mit einem Flächenmittel über Deutschland von nur 35 % (im Vergleich zu 1961 bis 1990). In größeren Regionen im Osten und Nordosten des Landes ist so gut wie gar kein Regen gefallen.
Zusammengefasst resultiert die vorangegangene und aktuelle Entwicklung insbesondere im Osten und Norden des Landes in einer teils erheblichen Trockenheit. Dies spiegelt sich auch in der geringen Bodenfeuchte in den oberen Bodenschichten und dem zum Teil hohen Waldbrandgefahrenindex wider.
Und wie geht es weiter? Zwar kann es heute und auch in den nächsten Tagen vor allem in der Südhälfte des Landes Schauer und auch einzelne Gewitter geben. Die zu erwartenden Regenmengen fallen aber regional sehr unterschiedlich aus. In vielen Regionen bleibt es bei nur geringen Mengen. Der Norden und Nordosten, wo Regen dringend gebraucht wird bleibt bis auf Weiteres nahezu komplett trocken. Die Trockenheit in diesen Regionen wird sich also nicht entspannen, sondern sogar noch verschärfen.
Dipl.-Met. Marcus Beyer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 30.04.2022
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