Heute geht es trotz Sommerwetter um die Eisheiligen, die mit der "kalten Sophie" zu Ende gehen.
"Wer schreibt in diesem Jahr eigentlich über die Eisheiligen?" Diese Frage stellten wir uns in den letzten Tagen im Kollegenkreis der diensthabenden Medienmeteorologinnen und -meteorologen. Doch irgendwie kam bei niemandem die geeignete Stimmung auf, um über dieses frostige Thema zu schreiben - verständlich beim aktuellen "Sommer, Sonne, Sonnenschein". Zugegeben - auch meine Wenigkeit musste bei diesem Wetter von seinen Kollegen erst darauf gestupst werden, dass aktuell die Eisheiligen sind. Sonst wäre mir das glatt entgangen. Eigentlich hatte ich auch schon eine andere Idee fürs heutige Thema, aber ein Jahr ohne Eisheilige in einem unserer Themen des Tages? Nein - das darf nicht passieren! ;-) Falls Sie die Eisheiligen (im Thema des Tages oder beim Wetter) vermisst haben sollten, kommen Sie am letzten Tag doch noch auf Ihre Kosten. Und eines nehme ich Ihnen schon vorweg. Beim Lesen könnten Sie vielleicht sogar ins Frösteln kommen und das muss auch nicht zwangsläufig an der zu kalt eingestellten Klimaanlage liegen.
Gehen wir zunächst der Frage nach, was man unter den "Eisheiligen" versteht, die in jedem Jahr auf die Tage vom 11. bis 15. Mai fallen. In diesem Zeitraum werden die Namenstage der frühchristlichen Bischöfe und Märtyrer gefeiert. Auf Mamertus am 11. Mai folgen Pankratius, Servatius, Bonifatius und am 15. Mai, dem heutigen Sonntag, die (kalte) Sophie. In diesem Jahr könnte man durchaus vermuten, der Name Eisheilige stammt daher, dass bei Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen der Eisbecher in einer der gut besuchten Eisdielen besonders lecker und erfrischend schreckt. Die Namensherkunft ist in Wahrheit aber eine ganz andere. Der Begriff entstand aus der Beobachtung, dass es im Frühjahr zu dieser Zeit des Öfteren zu Kaltlufteinbrüchen kam, mit denen aus Norden auf direktem Weg arktische Kaltluft bis nach Mitteleuropa gelangte. Dabei handelt (oder handelte, siehe unten) es sich um eine sogenannte Singularität, also ein häufig wiederkehrendes Witterungsphänomen ähnlich dem Weihnachtstauwetter oder den Hundstagen zum Ende des Hochsommers. Auch Aufzeichnungen des Deutschen Wetterdienstes belegen, dass (früher) diese Kälteperioden gehäuft auftraten und nochmals späte Nachfröste brachten. Die Eisheiligen waren vor allem von Gärtnern und Winzern gefürchtet, da die Fröste ihren jungen Kulturen erhebliche Schäden zufügen konnten. Weil die Kaltluft von Nord nach Süd einfließt, gelten in Norddeutschland nur die Tage vom 11. bis 13. Mai (Mamertus, Pankratius und Servatius) als Eisheilige, im Süden und Südosten hingegen die Tage vom 12. bis 15. Mai (also zusätzlich Bonifatius und Sophie).
In diesem Jahr glänzten die Eisheiligen jedoch durch Abwesenheit. Vielmehr gaben sich Sommerwärme und Sonne ein Stelldichein. Von frostigen Nächten war keine Spur und tagsüber herrschte in den meisten Regionen Deutschlands Sommerwetter mit
Nachmittagstemperaturen häufig über 25°C und lokalen Wärmegewittern. Die Heiß- ... ähm ... Eisheiligen wurden am Mittwoch am Rhein sogar mit dem ersten Hitzetag eingeläutet (Ohlsbach: 30,1°C; Worms: 30,0°C). Auch die "kalte Sophie" müsste heute eher "heiße Sophie" heißen, da wir erneut in den wärmsten Regionen Höchstwerte um 30°C erwarten.
Abkühlung gefällig? Dann verrate ich Ihnen, dass die letzten "richtigen" Eisheiligen erst zwei Jahre her sind. Pünktlich zu Mamertus am 11. Mai 2020 flutete arktische Kaltluft weite Teile Deutschlands, in Vorpommern musste man sich bei Höchstwerten um 9°C in eine Jacke mummeln. Nur im Südosten Bayerns war davon (so wie es sich gehört) noch nix zu spüren, in Piding herrschte bei 24,9°C noch T-Shirt-Wetter. Kaum zu glauben, dass es nach diesen frühsommerlichen Temperaturen - nur wenige Stunden später - an den Alpen nachts bis "weit runter" schneite! Am Morgen des 12. Mai (Pankratius) wurde oberhalb von etwa 800 m die Landschaft in zentimeterdickes Weiß gehüllt. Ähnlich geschah es in den Hochlagen des Thüringer Walds und des Erzgebirges. Mit Ausnahme der tiefsten Lagen im Südosten sowie im Nordwesten sank die Temperatur in weiten Teilen Deutschlands unter den Gefrierpunkt. Auch die Folgenächte waren gebietsweise frostig, vor allem die Nacht zum 15. Mai (kalte Sophie) in der Nordhälfte. Direkt über dem Erdboden wurden selbst in tiefen Lagen Temperaturen bis -7°C gemessen. Tagsüber war meist bei 10 bis 16°C Schluss, mehr als 20°C wurden erstmals wieder am 16. Mai gemessen, pünktlich nach den Eisheiligen.
Auch wenn erst vor zwei Jahren die Eisheiligen richtig zuschlugen, sind sie in den vergangenen Jahren oft ganz ausgeblieben. Manchmal kam es zu Kaltlufteinbrüchen bereits Anfang Mai oder seltener erst Ende Mai, wobei Fröste auch dann immer seltener auftraten. Dies konnte auch in diesem Jahr beobachtet werden, als in den Nächten zum
8. und 9. Mai in Norddeutschland nochmals vielerorts leichter Frost in Bodennähe, vereinzelt auch Luftfrost gemessen wurde. Kann man unter diesen Voraussetzungen überhaupt (noch) von einer echten Singularität sprechen? Viele Experten führen die Veränderungen auch auf den Klimawandel zurück, weshalb Kaltlufteinbrüche im Mai immer seltener frostig ausfallen. Die Zukunft wird zeigen, wann die Eisheiligen das nächste Mal ihre Zähne zeigen oder ob der Begriff in den zukünftigen Jahrzehnten mehr und mehr an Bedeutung verliert.
Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 15.05.2022
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