Ein typisch sommerliches Phänomen: In einem Ort vollgelaufene Keller, im Nachbarort nicht mal ein Tröpfchen. So etwas exakt vorherzusagen, ist quasi unmöglich, aber warum eigentlich?
"Wo sind denn jetzt eure Gewitter???" - eine Frage, die uns Meteorologen im Vorhersagedienst so oder so ähnlich auf den unterschiedlichsten Kanälen immer wieder erreicht. Meistens ist das der Fall, nachdem eine Vorabinformation vor schweren Gewittern herausgegeben wurde. Sie dient als Hinweis darauf, dass in der betroffenen Region erhöhtes Potenzial für die Entwicklung heftiger Gewitter gegeben ist. Wo sie dann aber tatsächlich genau auftreten, weiß man schlicht nicht. Gebetsmühlenartig wird versucht, den Fragenden die "Launen der Natur" und die Grenzen der Vorhersagbarkeit zu erklären, in der Hoffnung, dass dieselbe Frage bei der nächsten Gewitterlage zumindest nicht von denselben Personen kommt. Denn dass die Frage wieder auftauchen wird, ist unbestritten.
Das Problem an der ganzen Sache ist, dass eine Prognose, wann und wo Gewitter exakt auftreten, im Prinzip nicht möglich ist. Gewitter sind nämlich besonders in ihrer Entstehung sehr kleinräumige Wetterphänomene, die von unseren Wettermodellen nur schlecht "aufgelöst" werden können. Das kann man ganz grob mit einem Fischernetz vergleichen: Je kleiner die Maschen des Netzes sind, desto kleinere Fische kann man fangen. Beträgt die Maschenweite zwischen zwei Knoten z.B. 50 cm, wird man Schwierigkeiten haben, einen Goldfisch zu erwischen. Ähnlich verhält es sich mit den Wettermodellen. Das hochauflösende Wettermodell des DWD (ICON-D2) hat aktuell eine Maschenweite von Knoten zu Knoten von 2,2 km. Gewitter sind aber vor allem während ihrer Entstehung deutlich kleiner (wenige Hundert Meter Durchmesser). So ist es nicht selten, dass bei Gewittern in einem Stadtteil die Keller ausgepumpt werden müssen, während es im benachbarten Stadtteil trocken bleibt.
Vielleicht fragen Sie sich jetzt: "Warum erhöht man denn nicht einfach die Auflösung der Modelle auf z.B. 100 m?". Nun ja, einerseits würde dann aufgrund des deutlich höheren Rechenaufwands wohl sogar unser Superrechner die weiße Fahne schwenken. Andererseits gibt es noch weitere Faktoren, die die Wettervorhersage im Allgemeinen und damit auch die Gewitterprognose beeinträchtigen (Messungenauigkeiten, zu geringe globale und regionale Messdichte, notwendige Vereinfachungen in den numerischen Gleichungen eines Wettermodells, usw.).
Mit diesen Einschränkungen Gewitter auf den Punkt genau vorhersagen zu können, würde veranschaulicht gesagt bedeuten, dass man in einem Topf mit aufkochendem Wasser auf den Millimeter und die Sekunde exakt prognostizieren kann, wo und wann sich das erste Luftbläschen am Topfboden bildet und aufsteigt. Ein unmögliches Unterfangen.
Was man dagegen meist recht gut vorhersagen kann, ist zum einen die Region, in der Schauer und Gewitter auftreten können und zum anderen das Potenzial der Luftmasse und die damit einhergehenden Begleiterscheinungen wie Starkregen, Böen und Hagel.
Am heutigen Mittwoch etwa muss von den Alpen bis in die zentrale und östliche Mitte örtlich mit Gewittern gerechnet werden, die vor allem aufgrund von Starkregen lokal unwetterartig ausfallen können. Wann und wo genau uns die Wetterküche diese allerdings servieren wird, muss abgewartet werden.
Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 29.06.2022
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