Der Hurrikan Fiona hat sich in der Nacht zu einem rekordverdächtigen außertropischen Tief entwickelt und trifft mit Orkanböen und einer Sturmflut auf die kanadische Ostküste. Warum sich dieses System so explosionsartig entwickeln konnte und was das im weiteren Verlauf für unser Wetter bedeutet, soll heute Thema sein.
Im gestrigen Thema des Tages wurde erläutert, dass der aktuelle Hurrikan FIONA einen hohen Beitrag zum ACE-Index liefert. Nun hat sich der ehemalige Hurrikan der Kategorie 4 ungewöhnlich schnell in ein außertropisches Tief umgewandelt, das als Orkantief auf die kanadische Ostküste trifft. Der geschätzte Kerndruck liegt derzeit bei 931 hPa, was weit unter dem kanadischen Allzeitrekord von 940 hPa aus dem Jahre 1977 liegt. Das Erstaunliche daran ist, dass sich solch ein tiefer Luftdruck bereits im Herbst entwickeln konnte. Normalerweise entstehen die kräftigsten Tiefdruckgebiete mit den niedrigsten Kerndrücken im Winter. Wie konnte sich der Hurrikan Fiona so schnell umwandeln und dabei so kräftig bleiben? Der Hurrikan traf auf die Kaltfront eines Tiefdruckgebiets über Ostkanada. Der warme abgeschlossene Kern des tropischen Wirbelsturms blieb am Boden noch erhalten, währende sich in der Höhe ein Trog (Höhentief anfüllt mit Kaltluft) näherte und sich deutlich verstärkte. Somit wandelte der Hurrikan sich ungewöhnlich schnell in ein Tief der mittleren Breiten um. Diesen Prozess nennt man auch "instant warm seclusion". Satellitenbilder von heute Vormittag mitteleuropäischer Zeit zeigten an der Südostseite des Tiefkerns knapp vor der Küste der Kap-Breton-Insel einen spitz zulaufenden "Wolkenstachel", der auf einen möglichen Sting Jet hindeutet. Im relativ schmalen Bereich eines Sting Jets können nochmals stärkere Böen aus der mittleren Troposphäre bis zum Boden transportiert werden. Absinkende trockene stratosphärische Luft sorgt hier für ein Abtrocknen der Wolken, was zu dieser typischen Stachelform führt. Bisher wurden auf der Insel Windgeschwindigkeiten über 150 km/h gemessen. In den neusten Satellitenbildern hat sich die Struktur jedoch abgeschwächt. Ex-Fiona spielt auch eine wesentliche Rolle für unser Wetter in der kommenden Woche: An der Ostflanke dieses mächtigen Tiefdruckgebietes wird warme Luft weit nach Norden über den Atlantik geführt, wodurch sich dort ein atlantisches Hochdruckgebiet verstärkt. Stromabwärts entwickelt sich als Folge ein weiteres kräftiges Tief an der Ostküste Grönlands, das sich Anfang der Woche an der Nordostflanke des Hochs über die Nordsee bis nach Nordwesten Deutschlands verlagert. Es hat hochreichend kalte Polarluft im Gepäck. Somit wird wieder ein wechselhafter und sehr kühler Witterungsabschnitt eingeleitet. Bereits ab Dienstag gehen die Temperaturen deutlich zurück und es muss mit herbstlichem Schauerwetter und sogar Graupelgewittern gerechnet werden. Bei längerem nächtlichem Aufklaren gibt es sogar vereinzelt wieder Frost.
Der kühle Witterungsabschnitt hält noch bis Ende der neuen Woche an. Für das lange Oktoberwochenende zeigt sich dann ein grober Erwärmungstrend. Vom Altweibersommer sieht man also noch keine Spur.
Dipl.-Met. Christian Herold
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 24.09.2022
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