Gerade rechtzeitig sind die aktuellen Jahreszeitvorhersagen einschlägiger globaler Klimamodelle erschienen. Inwieweit die Aussagekraft nun höher liegt, wird weiter unten kurz angerissen.
Bereits im September haben wir uns etwas näher mit Jahreszeitenvorhersagen befasst, konkret wurde das Klimamodell des DWD kurz vorgestellt (siehe
https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2022/9/21.html). Im heutigen Tagesthema soll die aktuelle Jahreszeitenvorhersage (Stand 01.10.2022) beleuchtet werden, dabei wird nun das Klimamodell des Europäischen Zentrums für Mittelfristige Wettervorhersagen (ECMWF) in Reading als Diskussionsgrundlage verwendet. Zur Einstimmung folgen nochmals allgemeine Bemerkungen zur Langfristvorhersage, die neben anderen Faktoren beim Klimamodell IFS (Integrated Forecast System) des ECMWF Berücksichtigung finden. Langfristige Vorhersagen liefern Informationen über die zu erwartenden atmosphärischen und ozeanischen Bedingungen, gemittelt über Zeiträume von ein bis drei Monaten. Wie die Vorhersagen für die (erweiterte) Mittelfrist werden auch die Langfristvorhersagen mit dem gekoppelten Ozean-Atmosphären-Modell des IFS erstellt. Langfristige Vorhersagen stützen sich auf Aspekte der allgemeinen Variabilität des Erdsystems, die lange Zeiträume (Monate bis Jahre) umfassen und lediglich bis zu einem gewissen Grad vorhersagbar sind. Ein wesentlicher Aspekt hierbei ist der ENSO-Zyklus (El Nino Southern Oscillation). Obwohl ENSO ein gekoppeltes Ozean-Atmosphären-Phänomen darstellt, das sich auf den tropischen Pazifik konzentriert, erstreckt sich der Einfluss der Schwankungen dieser Zirkulation direkt oder indirekt nahezu über die ganze Welt.
Langfristige Vorhersagen orientieren sich oft an derartigen Telekonnektionen - wiederkehrende und länger anhaltende großräumige Muster von Druck- und Zirkulationsanomalien, die sich über große geografische Gebiete erstrecken und somit die die Entwicklung allgemeiner Wettermuster beeinflussen. Ein Schlüsselwort, das häufig mit der Langfristprognose in Verbindung gebracht wird, ist "Anomalien". Diese Triebkräfte langfristiger Wettermuster können zum Beispiel zu über- oder unterdurchschnittlichen Temperaturen und stärkeren Niederschlägen oder Trockenheit führen. Eine der wichtigsten Triebkräfte für das Wetter auf der Nordhalbkugel im Winter ist der Stratosphärische Polarwirbel (SPV). Dieses sich schnell drehende umfassende Tiefdruckgebiet, das sich in den Wintermonaten entwickelt, wenn sich die arktische Polarregion bei Polarnacht stark abkühlt, kann mitunter Aufschluss darüber geben, ob West- und Mitteleuropa in den kommenden Wochen eine eher stürmische und nasse Periode erleben wird oder ob sich möglicherweise auch trockeneres, kälteres Wetter entwickeln könnte.
Der SPV steht ebenso in Verbindung mit diversen Telekonnektionen. Eine der wichtigsten Telekonnektionen für den Nordatlantik und die Britischen Inseln ist die NAO (Nordatlantische Oszillation), die in den Wintermonaten auch direkt mit dem Stratosphärischen Polarwirbel in Verbindung gebracht werden kann. Wenn der Polarwirbel gut organisiert und stark ausgeprägt ist, dann dominiert ein positives NAO-Muster. Dies führt in der Regel zu einer Langfristprognose, die von nassen und windigen, ja sogar zeitweise stürmischen Wetterperioden über dem Atlantik geprägt ist.
Wenn es jedoch Anzeichen dafür gibt, dass der SPV gestört oder schwächer als normal ausfällt, damit die NAO möglicherweise im Winter einen stärker negativen Trend einnimmt, erhöht sich das Risiko von insgesamt kälterem und möglicherweise trockenerem Winterwetter. Die aktuelle Vorhersage für den Zustand des Stratosphärischen Polarwirbels (SPV), ausgedrückt über den zonal gemittelten zonalen Wind in 10 hPa (in über 30 km Höhe) und auf 60 Grad Nord gemittelt des IFS vom ECMWF sieht nun über die Wintermonate hinweg weiterhin einen weitgehend normal ausgeprägten SPV mit westlichen Winden in diesem Bereich (nähere Erläuterungen unter
https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2022/9/21.html sowie hier https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2021/1/10.html ).
Nichtsdestotrotz sagt uns auch diese saisonale Vorhersage nach wie vor nicht viel über den kommenden Winter aus, von daher sollte sich der interessierte Leser noch etwas gedulden. Es schadet trotzdem nichts, gewisse Randbedingungen im Hinterkopf zu behalten.
Dipl.-Met. Dr. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 18.10.2022
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