Eine turbulente Expedition Das Polarforschungsschiff FS Polarstern ist auf hoher See und im Eis zu Hause. Ein Erfahrungsbericht vom Leben und Arbeiten als Meteorologin auf dem Eisbrecher.


Als Meteorologin in der Wettervorhersage arbeitet man meistens in einem schönen Büro mit höhenverstellbaren Tischen in angenehmer Atmosphäre. Nach Feierabend geht man nach Hause und überlässt die Arbeit seinen Kollegen. Ganz anders gestaltet sich die Arbeit jedoch, wenn man als Bordmeteorologin auf einem Forschungsschiff unterwegs ist.
Ich hatte das Vergnügen, an der Expedition PS133 des Forschungseisbrechers FS Polarstern teilzunehmen. Das Leben an Bord ist sehr durchgetaktet. Dienstbeginn ist jeden Tag um 6 Uhr Bordzeit. Frühstück gibt es um 7.30 Uhr. Um 8.15 Uhr beginnt das Wetterbriefing im Wetterbüro. Weitere Briefings und Meetings folgen im weiteren Verlauf bis zum Dienstende etwa um 19 Uhr. Dabei bekommt man das Wetter hautnah zu spüren. Man spürt die Winddrehung beim Rundgang auf Deck und schaukelt mit jeder Welle im Takt mit. Einen richtigen Feierabend gibt es damit nicht. Als Meteorologin bleibt man immer Ansprechperson für Wind und Wetter auch beim abendlichen Kartenspielen.
Die Expedition startete am 02. Oktober 2022 in Kapstadt. Das Hauptforschungsgebiet sollte dann der Südliche Ozean sein. Ein Gebiet mitten in den Roaring Fifties, den Rasenden Fünfzigern, das neben den Furious Forties, den Brüllenden Vierzigern, für seine stürmischen Westwinde bekannt ist. Und diese Breitengrade machten ihren Namen bei dieser Expedition alle Ehre.
Bereits in der ersten Woche auf See war abzusehen, dass die Stürme und der damit verbundene Seegang teils zu gefährlich waren. Es musste abgewettert werden. Auch auf der Ausweichposition blieben wir aber nicht ganz verschont. Westwind zwischen 6 und 9 Windstärken bei einer signifikanten Wellenhöhe von mindestens 4 Metern standen auf der Tagesordnung. Kurze ruhigere Phasen wurden genutzt, um das ein oder andere Messinstrument ins Wasser zu lassen.
Nach über zwei Wochen auf See mit teils Wellenhöhen bis 12 Metern kündigte sich eine länger anhaltende Wetterberuhigung an. Das Hoch über dem Südatlantik streckte seine Fühler etwas weiter nach Süden hin aus. Die Forschungsarbeit konnte damit so richtig beginnen. Zu allem Überfluss jedoch musste die Expedition aufgrund eines medizinischen Notfalls unterbrochen werden. Das Problem, das nächste Krankenhaus liegt leider fast 2500 km, also 4 bis 5 Seetage weit entfernt auf den Falklandinseln. Mit Vollgas ging es also entgegen der Wind- und Wellenrichtung nach Westen. Zum Glück konnten die Patientinnen erfolgreich ausgeflogen werden und befinden sich mittlerweile bei ihren Familien.
Bei den Falklandinseln suchte uns das nächste Unwetter heim. Und dieses hatte es in sich. Mit Spitzengeschwindigkeiten von etwa 140 Kilometern pro Stunde fegte ein Orkan über die Insel hinweg. Zumindest konnte das Schiff im Berkley Sound bei den Falklandinseln dem schweren Seegang entgehen. Nach Durchzug des Orkans folgte das Schiff den Spuren des Sturms zurück in das Forschungsgebiet. Und endlich war das Wetter uns auch hold und sorgte für ein paar Tage ruhigeren Seegang.
Den nächsten Sturm konnte man geschützt vor Südgeorgien absitzen. Danach folgte noch ein kleiner Abstecher in den Tiefseegraben östlich von den Südlichen Sandwich Inseln. Dort wurden Sedimentproben aus über 8000 Metern Tiefe entnommen. Und dann war die Zeit auch schon fast vorbei und es folgte der Transit nach Punta Arenas. In Südchile angekommen, wechselten einige Wissenschaftler und auch die Mannschaft. Und auch ich durfte von Bord. Der zweite Teil der Expedition startete am 20. November. Ziel des zweiten Teils, war den Island Impact rund um Südgeorgien zu untersuchen. Der Wettergott hatte es diesmal besser gemeint mit Besatzung und Wissenschaftler. Vielleicht war das das Geburtstagsgeschenk für FS Polarstern, denn am 09. Dezember 2022 konnte das Schiff seinen 40. Geburtstag feiern (kleines Geburtstagsvideo unter Link 1.) Dieser Ehrentag wurde auf dem Schiff gebührend gefeiert. Momentan befindet sich die Polarstern auf der Zielgeraden zurück nach Kapstadt, wo schon die nächsten Wissenschaftler und der nächste Bordmeteorologe auf den kommenden Einsatz warten.
Die aktuelle Position von FS Polarstern findet man bei Link 2.

MSc Sonja Stöckle
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 18.12.2022

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