Das heutige Thema des Tages wirft einen Blick auf das ungewöhnlich milde Wetter zum Jahreswechsel.
Erinnern Sie sich noch an den letzten Jahreswechsel? Daran, dass Silvester im Norden recht regnerisch war - im Süden dagegen meist trocken? Und dass die Temperaturen auf ein ungewöhnlich hohes Niveau geklettert sind? Wenn Sie sich daran noch erinnern, dann können Sie Ihr Wissen dieses Jahr am 31.12. erneut einsetzen - denn zumindest im Rahmen dieser sehr groben Beschreibung wiederholt sich das Wetter am letzten Tag des Jahres.
Ein genauerer Blick fördert dann aber doch teils bemerkenswerte Unterschiede zutage. Und dies betrifft vor allem die oben schon dezent angesprochenen Höchsttemperaturen. Die Abbildung eins zeigt für einige ausgewählte Stationen die Temperaturmaxima am 31.12.2021. Der Jahreswechsel 2021 / 2022 war der wärmste seit Beginn der Temperaturmessung in Deutschland. Zwar steckten im Norden wegen des Regens und der dichten Wolken die Maxima in einer Spanne von 10°C bis 14°C "fest" (was ja auch schon sehr mild ist), aber in der Mitte und im Süden war es für die Jahreszeit ungewöhnlich mild, verbreitet mit Temperaturen jenseits der 15°C-Marke.
Da wir Meteorologen im Winter nicht von "warm" sprechen, ist "ungewöhnlich mild" unser Temperatur-Superlativ für die kalte Jahreszeit. Und den werden wir auch am kommenden Samstag wieder bemühen müssen. Denn nach jetzigem Stand werden die bisherigen, oben genannten Rekorde wohl pulverisiert werden.
Dazu werfen wir einen Blick auf die Abbildung zwei. Dort sind die aus zwei verschiedenen Vorhersagemodellen errechneten und anschließend statistisch überarbeiteten Höchstwerte für Silvester angegeben. Bei den Modellen handelt es sich um das "ICON" des DWD sowie das "IFS" des Europäischen Zentrums für Mittelfristige Wettervorhersage. Und bei dem, was da zu lesen ist, muss man sich erstmal die Augen reiben. Im Süden Deutschlands sollen die Temperaturen auf über 20°C klettern, unter Umständen sind bis zu 22°C möglich. Letzteres würde bedeuten, dass die bisherigen Silvester-Höchstwerte um 5°C (!!!!) überboten würden. Aber auch in der südlichen Mitte, also etwa in einem Bereich von Magdeburg und dem Ruhrgebiet im Norden bis etwa zum Main im Süden sollen die Höchstwerte 17°C bis 19°C erreichen. Das sind selbst in dieser Region Werte, die reichen würden, die bisherigen Maxima zu übertreffen. Bleibt noch der Norden, wo die Temperaturspanne in etwa der o.g. aus dem Jahr 2021 gleicht. Dennoch wäre es vorstellbar, dass zumindest lokal ein Rekord purzelt (der für Hamburg-Neuwiedenthal liegt bei 13,8°C, der für Bermen bei 13,6°C, diese beiden Werte stammen ebenfalls aus dem Jahr 2021).
Es drängt sich förmlich auf, bei dieser Konstellation eher an einen Frühlings-, vielleicht auch an einen kühlen oder mäßig warmen Sommertag zu denken als an Winter. Und es ist eine interessante Frage, ob der Dezember insgesamt - trotz der Kälteperiode zur Monatsmitte - im Vergleich zum vieljährigen Mittel eventuell doch wieder zu warm ausfällt.
Synoptisch betrachtet haben wir die erwarteten hohen Temperaturen einer lebhaften südwestlichen Strömung zu verdanken. Mit ihr werden subtropische Luftmassen nach Mitteleuropa transportiert. Die Abbildung drei wirft einen Blick auf ein Detail der Wettersituation zum Jahreswechsel. Abgebildet sind die Linien gleichen Geopotentials, die sogenannten "Isohypsen", im 300-hPa-Niveau, also in etwa 9 km Höhe. In dem Bereich, in dem diese sich sehr stark drängen, bildet sich ein kräftiges Starkwindband aus. Seine "Stoßrichtung" ist die Nordsee sowie Südskandinavien. In der Folge liegen wir auf der Südostseite, also der "warmen" Seite des Jets. Die Tiefdruckgebiete, die auf der kalten Seite zumindest zeitweise polare Luft anzapfen, schaffen es nicht, die Polarluft bis zu uns zu schieben. Also bleibt es für die Jahreszeit zu mild.
Trotzdem machen sich die Tiefs bei uns bemerkbar, nämlich mit Regen im Norden und mit einem - abgesehen vom Südosten - stark böigen Wind.
Dipl.-Met. Martin Jonas
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 28.12.2022
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