Eine groß angelegte Studie der Hamburger Uniklinik unter Verwendung von Daten des DWD belegt erstmals, dass hohe Temperaturen das Risiko einer späten Frühgeburt signifikant erhöhen können.
Die Hitze der vergangenen Tage war zweifelsohne für viele Menschen anstrengend ? stellen die hohen Temperaturen verbunden mit einer geringen nächtlichen Abkühlung doch eine enorme Belastung für den menschlichen Organismus dar. Bei den Hitzewarnungen werden jedoch einige Personengruppen immer besonders angesprochen: Vor allem ältere und pflegebedürftige Menschen, chronisch Kranke, Kinder und Schwangere sind besonders gefährdet.
Doch für Schwangere besteht bei Hitzewellen nicht nur das Risiko eines Hitzschlags oder eines Sonnenstichs, sondern auch einer Frühgeburt. In jüngster Zeit haben immer mehr Studien gezeigt, dass das Risiko für Frühgeburten und ein niedriges Geburtsgewicht durch hohe Temperaturen und damit verbundenem Hitzestress erhöht ist. Die Mehrzahl der Untersuchungen wurde jedoch in geografischen Regionen mit hohen Durchschnittstemperaturen durchgeführt, sodass die Auswirkungen von Hitzeperioden in Regionen mit gemäßigtem Klima unberücksichtigt blieben. Diese Lücke wurde nun durch eine Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) geschlossen. Die Wissenschaftler analysierten dazu mehr als 42.000 Patientenakten von Schwangeren, die zwischen 1999 und 2021 im UKE entbunden haben und verglichen die errechneten und tatsächlichen Geburtstermine mit Daten des Deutschen Wetterdienstes (Temperatur und relative Feuchte an der Station Hamburg-Fuhlsbüttel). Das Ergebnis: Hitzestress von 30 °C erhöht das Frühgeburtsrisiko um 20 Prozent, Temperaturen über 35 °C können das Risiko sogar um 45 Prozent steigern. Vor allem bei Schwangeren zwischen der 34. und der 37. Schwangerschaftswoche führte die starke Wärmebelastung zu einer früheren Geburt, man spricht in dem Zeitraum auch von einer ?späten Frühgeburt?. Die Gefahr ist allerdings nicht direkt beim ersten heißen Tag gegeben: Erst nach dem dritten oder vierten Tag ohne merkliche Abkühlung, verbunden mit einer hohen Luftfeuchtigkeit (und damit einer hohen Gefühlten Temperatur), setzten vermehrt vorzeitige Wehen ein.
Doch wie kommt dieser Zusammenhang zustande? In der Schwangerschaft drückt der Bauch auf die Hauptvene (Vena cava), sodass am Herzen nicht mehr so viel Blut ankommt. Durch andauernde Hitze weiten sich die Blutgefäße und verstärken diesen Effekt. Eine solche hitzebedingte Gefäßerweiterung wird auch in der Gebärmutter beobachtet, was die Versorgung des heranwachsenden Babys mit Sauerstoff und Nährstoffen beeinträchtigt. In schwülen Nächten erhöht zudem fehlender Schlaf den Stress. Parallel sinken die Schwangerschaftshormone, der Cortisolspiegel steigt ? und dadurch auch das Risiko einer Frühgeburt. Eine Geburt vor der 37. Schwangerschaftswoche geht mit einem erhöhten Risiko für spätere gesundheitliche Probleme einher. Unter anderem die Lungen, das Verdauungs- und Immunsystem müssen zu dieser Zeit noch reifen, sodass jeder Tag im Mutterleib zählt.
Durch den Klimawandel und die immer häufigeren Hitzewellen könnte die Zahl der Frühgeborenen steigen: Den Wissenschaftlern zufolge könnten in zehn Jahren rund 15 Prozent, also etwa jedes sechste Kind zu früh geboren werden ? doppelt so viel wie heute.
Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 13.07.2023
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