Vor allem im Spätsommer und Herbst ist in den Medien immer wieder zu hören, dass ehemalige Hurrikans auch unser Wettergeschehen beeinflussen. Inwiefern dies tatsächlich der Fall ist, klären wir im heutigen Thema des Tages.
Die aktuelle Boden-Analysekarte zeigt einen ehemaligen Hurrikan mit dem Namen FRANKLIN vor den Toren Westeuropas. Dieser Wirbelsturm entwickelte sich bereits am 20. August über dem 30 Grad warmen Wasser der Karibik. Grund dafür waren über weite Teile sehr hohe Meeresoberflächentemperaturen, die zu einer Weiterentwicklung eines Gewittersystems zu einem tropischen Wirbelsturm sorgten. Die relativ starke vertikale Windscherung verhinderte allerdings eine markante Intensivierung des Sturms, sodass dieser sich lediglich zu einem Hurrikan der Kategorie 1 verstärken konnte, bevor er in der Dominikanischen Republik an Land ging.
Nach dem Landgang verlagerte sich der Sturm weiter nach Norden. Dabei konnte er sich trotz der etwas geringeren
Meeresoberflächentemperaturen nach einer kurzen Abschwächung deutlich intensivieren. Ursache dafür waren wesentlich geringere Scherungswerte in dieser Region. Eine hohe Windscherung ist nämlich für die Intensivierung von tropischen Stürmen hinderlich, da dann vor allem bei einer geringen Feuchte in der mittleren Troposphäre, trockene Luftmassen in das Zentrum des Sturms eingemischt werden können. Diese Luftmassen schwächen die latenten Wärmeflüsse vom Ozean ab, sodass die Energiezufuhr teilweise gekappt wird und der Sturm sich nicht mehr weiterentwickeln kann.
FRANKLIN verstärkte sich daraufhin westlich der Bermuda-Inseln zu einem sehr starken Hurrikan der Kategorie 4 mit beachtlichen Windgeschwindigkeiten von über 200 km/h. Auf seinem weiteren Pfad nach Norden gelangte der Sturm in die Westwindzone der mittleren Breiten. In dieser Zone herrschen für tropische Wirbelstürme ungünstige Bedingungen. So gelangte FRANKLIN in eine Region erhöhter Baroklinität. Diese Zonen sind charakterisiert durch eine starke vertikale Windscherung und große meridionale Temperaturunterschiede. Zudem liegen die Meeresoberflächentemperaturen in diesen Breiten bei unter 26 Grad. Das hatte zur Folge, dass sich der Wirbelsturm deutlich abschwächte. Gleichzeitig wurde er von einem Höhentrog über dem Atlantik, welcher sich südlich von Grönland befand, eingefangen und dabei in ein außertropisches Tiefdruckgebiet umgewandelt. Bei dieser Umwandlung verlor der Sturm seinen warmen Kern, da die Wassertemperaturen des Atlantiks nicht mehr ausreichten, um ihn vom Ozean mit Energie zu speisen. Trotzdem verstärkte er sich wieder nach der Abschwächung und löste sich nicht vollständig auf. Grund dafür war die Interaktion mit dem Höhentrog in einer Zone mit erhöhten meridionalen Temperaturunterschieden. Dieser Prozess der extratropischen Umwandlung von Wirbelstürmen wird im Atlantik im Spätsommer häufiger beobachtet.
Nach der Umwandlung besitzen diese Stürme dann teilweise immer noch tropische Eigenschaften, bilden aber nach und nach Frontensysteme (Warm- und Kaltfront) aus und entwickeln einen kalten Kern. Diese hybriden Zyklonen können dann entweder direkt oder aber auch indirekt Einfluss auf unser Wettergeschehen nehmen. Sie können in manchen Fällen die Strömungskonfiguration (Lage von Höhentrögen und Höhenrücken) vor allem stromabwärts verändern und somit maßgeblich Einfluss auf unser Wetter in Mitteleuropa nehmen. Der ehemalige Hurrikan FRANKLIN, der heute auf der Bodenanalyse auftaucht, stützt die in dieser Woche vorherrschende Omegalage mit einem stationären Hochdruckgebiet direkt über Mitteleuropa. Dadurch dürfen wir uns in dieser Woche über viel Sonnenschein und sommerliche Temperaturen freuen.
Das außertropische Tief FRANKLIN wird sich bis zum Wochenende nach Süden verlagern und sich in der kommenden Woche voraussichtlich vor Portugal auflösen. Es geht aber auch anders! Am 16.10.2017 erreichte Ex-Hurrikan ORPHELIA Irland. Dabei wurden extreme Orkanböen bis zu 150 km/h registriert. ORPGELIA verlor ihre klassische Struktur als Hurrikan kurz vor Irland, hatte allerdings zumindest noch teilweise tropische Eigenschaften in sich, als sie als außertropisches Orkantief das Festland von Irland erreichte. Dies zeigt, dass ehemalige Hurrikans durchaus Einfluss auf unser Wettergeschehen haben können, wenn auch nicht immer in Form von Sturm/Orkan und starken Regenfällen.
M.Sc.-Met. Nico Bauer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 04.09.2023
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