Die sommerliche Ausdehnung des arktischen Meereises erreicht in diesen Tagen ihr saisonales Flächenminimum. Zwar fällt die Bilanz im Vergleich zu den letzten Jahren nicht extrem aus, aber der Trend zu weniger Meereis im Sommer setzt sich fort. Die winterliche Meereisausdehnung in der Antarktis verharrte hingegen auf einem Rekordtiefststand.
Zuletzt gab es an dieser Stelle im Juni einen Blick auf die Meereisbedingungen in der Arktis und Antarktis (siehe Thema des Tages vom 12.06.2023). Inzwischen neigen sich der nordhemisphärische Sommer bzw. südhemisphärische Winter ihrem Ende zu. Zunächst widmen wir uns der sommerlichen Meereisschmelze im Arktischen Ozean.
Im Juli nahm die arktische Meereisausdehnung mit einer Geschwindigkeit von 93.300 Quadratkilometer pro Tag ab und lag damit nahe am langjährigen Durchschnittswert (86.900 Quadratkilometer pro Tag). Besonders die geringen Eiskonzentrationen in der Laptewsee und nördlich davon stechen ins Auge (Abbildung 1). Auch die Ostsibirische See sowie die Gewässer nördlich der Küsten Alaskas und des Mackenzie-Deltas waren zu diesem Zeitpunkt schon weitgehend eisfrei. Sonst hingegen war auf dem nördlichen Seeweg und in der Nordwestpassage noch beträchtliches Eis vorhanden.
Die durchschnittliche arktische Meereisausdehnung betrug im Juli 8,16 Millionen Quadratkilometer und rangierte damit auf dem zwölftletzten Rang der Eisausdehnungen seit Beginn der kontinuierlichen Satellitenmessungen im Jahr 1979. Der lineare Abwärtstrend setzt sich damit auch im Monat Juli der letzten Jahrzehnte kontinuierlich fort. Gut sieben Prozent büßt das Eis im Monat Juli pro Dekade ein (Abbildung 2). Aufsummiert entspricht das seit 1979 einem Eisverlust von gut 2,9 Millionen Quadratkilometern, was etwas mehr als der Fläche Argentiniens entspricht.
Die atmosphärische Zirkulation war im Juli von tiefem Druck über der eurasischen Seite der Arktis und Hochdruck über der nordamerikanischen Seite geprägt (Abbildung 3). Infolgedessen gab es einen starken Druckgradienten über dem zentralen Arktischen Ozean, der sich bis östlich von Spitzbergen und dann in Richtung Island erstreckte. Dies wiederum lässt auf kräftige Winde und damit auf einen starken Meereistransport in diesem Bereich rückschließen. Während im Juli rekordverdächtige globale Durchschnittswerte der Lufttemperatur verzeichnet wurden, fallen die Abweichungen in der Arktis verhältnismäßig unauffällig aus. In weiten Teilen des Arktischen Ozeans lag die Lufttemperatur um 1 bis 3 Grad über dem Durchschnitt. In der weitgehend eisfreien Laptewsee war die gemittelte Temperatur sogar leicht unterdurchschnittlich. Das einzige Gebiet mit ausgeprägter Wärme befand sich über dem Mackenzie-Delta, wo die Temperaturen bis zu 7 Grad über dem Durchschnitt lagen.
Über die erste Monatshälfte des Augustes beschleunigte sich der Rückgang in der arktischen Meereisbedeckung und die tägliche Eisverlustrate von 81.000 Quadratkilometer lag deutlich über dem langjährigen Durchschnittswert. Veranschaulicht gesprochen entsprach der tägliche Meereisverlust etwas mehr als der Fläche der Tschechischen Republik. Die beschleunigte Eisschmelze lässt sich auf überdurchschnittliche Lufttemperaturen zurückführen. Abgesehen von der zentralen Arktisregion zeigte die Lufttemperatur positive Anomalien von 3 bis 4, in der Barentssee von über 5 Grad gegenüber dem Bezugszeitraum. In der zweiten Augusthälfte hat sich das Tempo des Eisverlustes unter einer graduellen Abkühlung wie üblich verlangsamt.
Für den diesjährigen August lässt sich die mittlere Meereisausdehnung auf rund 5,51 Millionen Quadratkilometer beziffern. Damit rangierte er an neuntletzter Stelle der Eisausdehnungen. Insgesamt lässt sich konstatieren, dass sich vorrangig in den Regionen nördlich der Ostsibirischen See und Laptewsee sowie in der Beaufortsee die Meereiskante im August besonders stark zurückgezogen hat (Abbildung 5). Im Sektor nördlich des Kanadischen Archipels, Grönlands und in der zentralen Arktis weist die Eisdecke eine überwiegend kompakte Struktur auf und die Eiskante liegt nahe am langjährigen Durschnitt. Die relativ große Eisausdehnung lässt sich auf den Einfluss von regelmäßigen Tiefdrucksystemen in der zentralen Arktis zurückführen, die eine eher ungewöhnliche Eisdrift aus der zentralen Arktis Richtung Laptewsee förderten.
Zum gestrigen 10. September bezifferte sich die Meereisausdehnung auf 4,48 Millionen Quadratkilometer. Gut möglich, dass die arktische Meereisbedeckung damit dem diesjährigen saisonalen Minimum schon sehr nahekommt. Es bleibt abzuwarten, ob sich das Meereis in diesen Tagen noch etwas zurückziehen kann. Die Ausdehnung fällt geringer aus als 2022, liegt aber noch deutlich über dem Rekordminimum von 2012.
Nach der Arktis folgt nun noch ein kleiner Exkurs an den Südpol. Die antarktische Meereisausdehnung ist über den gesamten Südwinter auf dem bemerkenswerten Rekordtiefststand geblieben (Abbildung 6). Nach einem nur leichten Anstieg der Ausdehnung Anfang August, hat sich das Eiswachstum nachfolgend immerhin noch etwas beschleunigt. Das winterliche antarktische Maximum dürfte nun unmittelbar bevorstehen. Aktuell beziffert sich die Ausdehnung auf 17,06 Millionen Quadratkilometer. Die negative Flächenabweichung zum langjährigen Mittel (18,6 Millionen Quadratkilometer) beläuft sich auf rund 1,5 Millionen Quadratkilometer, was in etwa der Größe der Mongolei entspricht.
M.Sc.-Met. Sebastian Altnau
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 11.09.2023
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