Eine Fahrt ins Ewige Eis: Alles ganz EAS(I)Y!

Die Polarforschungs-Expedition EASI-2 führte zwei Kollegen des Deutschen Wetterdienstes von Ende November bis Ende Januar ins Ewige Eis der Ost-Antarktis. Ein Erfahrungsbericht.

EASI-2 ist die Abkürzung des zweiten Teils eines internationalen Forschungsprojektes mit dem Namen "East Antarctic Ice Sheet Instability" In dem Projekt wird die Veränderungen der Instabilität des Ostantarktischen Eisschildes sowie deren Wechselwirkungen mit der Zirkulation im Südozean untersucht. Auf der Expedition EASI-2 waren mehrere Forschungsteams unter anderem aus Deutschland, den Niederlanden und Australien an Bord von FS Polarstern. Der Schwerpunkt der Forschung lag dabei auf den aktuellen Prozessen der Wassersäule der Südpolarmeere mit Augenmerk auf die Nährstoffverfügbarkeit. Zudem wurden Sedimentproben von bis zu 25 Metern Tiefe aus dem Meeresboden gezogen, um Rückschlüsse auf Veränderungen der letzten 500 Tausend Jahre ziehen zu können. Es war eine sehr arbeitsintensive Forschungsreise mit 140 Forschungsstationen. Dass so viele Stationen erfolgreich stattfinden konnten, lag nicht nur an der guten Zusammenarbeit auf dem Schiff, sondern auch an den günstigen Wetterbedingungen, die uns auf dieser Reise begleiteten.

Ende November stach FS Polarstern von Kapstadt aus in See. Knapp drei Wochen dauerte die Fahrt von Südafrika an den Prinz Edward Inseln vorbei bis zum antarktischen Festland in der Prydz-Bucht. Das Wetter war uns von Beginn an wohl gesonnen. Bei Windstärken um 6 Beaufort und einer signifikanten Wellenhöhe von 3 Metern erreichten wir ohne Probleme nach nur wenigen Tagen die erste Forschungsstation. Während des Transits stoppte FS Polarstern immer wieder für solche Stationen auf. Dann bleibt der Eisbrecher mitten im "Nichts" für 10 bis 16 Stunden auf offener See stehen und wissenschaftliche Gerätschaften werden ins Wasser gelassen. Nur ein einziges Mal hat uns ein Sturmtief gezwungen, die Forschungsarbeit früher zu beenden. Am Dienstag, den 12. Dezember 2023 fand eine rapide Zyklogenese knapp südöstlich von Südafrika statt. Innerhalb von etwa 40 Stunden fiel der Druck im Zentrum des neu entstandenen Tiefs über 60 hPa. Gleichzeitig verlagerte sich das Sturmtief dabei mit 50 Knoten südostwärts, sodass FS Polarstern am Donnerstag, den 14. Dezember 2023 in dessen Einflussbereich geriet. Da wir aber bereits frühzeitig den Kurs gewechselt hatten, waren wir bereits in einem Bereich, indem die Forschungsarbeiten trotz Sturm weitergeführt werden konnten. Rückseitig des Tiefs weitete sich erneut ein Hochdruckkeil südwärts aus, was vorübergehend für schwachwindige und teils sonnige Wetterbedingungen sorgte.

Am 17. Dezember 2023 erreichten wir dann die Gewässer vor der Australischen Antarktisstation Davis in der Prydz-Bucht. Von dort aus wurde ein Team aus sechs Geologen auf das Festland ausgeflogen. Während die Geologen drei Wochen in ihren Zelten auskommen mussten, erforschte der Rest der Wissenschaft in der behaglichen Behausung des Eisbrechers die Prydz Bucht. Das Wetter zeigte auch innerhalb der nächsten Wochen in der Prydz-Bucht seine schöne Seite. Lokale Tiefs entwickelten sich immer wieder über dem "warmen" Wasser der Bucht. Dadurch formierte sich wiederkehrend dichte Bewölkung, die von Nordosten in Richtung FS Polarstern strömte. Vor allem durch die sehr trockene Antarktische Festlandsluft mit Taupunkten weit unter -10 Grad wurden die Wolkenfelder jedoch meist abgetrocknet und lösten sich auf. Das Resultat war dann strahlender Sonnenschein. Dank des Polartages hielt dieser teils auch ununterbrochen für 48 Stunden an. Bei der Annäherung an die Schelfeiskante des Amery Eisschildes konnte man zudem andere, für die Region typische Wetterphänomene beobachten. Zum einen die katabatischen Winde, die als kalter, ablandiger Fallwind von den Gletschern der Antarktis in Richtung Meer hin wehten und manchmal als Verwirbelungen vom lockeren Schnee an der Eiskante erkennbar waren.

Durch die guten Sichten in der sehr trockenen Luft, konnte man die faszinierenden Eisstrukturen im vollen Umfang bestaunen. Die Eiswelten zeigten sich, trotz eines Minimums in der Meereisbedeckung, in all seinen Facetten. Besonders beeindruckend war das bläuliche Leuchten, das aus dem Inneren der Eisberge durchschimmert. Am Amery Eisschelf erinnerten Aushöhlungen, die an der Wasserkante ausgewaschen wurden, an italienische Arkaden und luden zu Erkundungen ein. Doch nicht nur die Süßwasser-Eis-Formationen lösten Bewunderungen aus, sondern auch die verschiedenen Stufen der Meereisbildung. Vom ersten Frazil-Eis, über Pfannkucheneis bis hin zu Presseishügeln wurde alles gesichtet und bestaunt. Wir hatten auch Glück, dass wir die gefrorene Landschaft nicht nur beobachten durften. An zwei Tagen hielt FS Polarstern für kurze Zeit an einer Eisscholle. Wer Zeit hatte, durfte dann seinen Fuß auf das gefrorene Wasser setzen.

Anfang Januar wurden die Landgeologen mit dem Hubschrauber zurück auf das Mutterschiff geholt. Wieder vollzählig fuhren wir weiter ostwärts um das Shackleton Schelfeis herum bis hin zum Denman Gletscher. Auf dieser Teilstrecke mussten wir das Wetter aufgrund seiner Windrichtung rügen. Durch beständigen Nordostwind wurde sehr viel Treibeis an das Shackleton Schelfeis hin verdriftet. Aufgrund der hohen Eiskonzentration verlangsamte sich das Vorankommen etwas. Nichtsdestotrotz hielten wir an der geplanten Route fest und wurden nicht nur durch eine Vielzahl an erfolgreichen Forschungsstationen am östlichen Rand des Denman Gletschers, sondern auch durch eine wunderschöne Kulisse belohnt. Bei strahlendem Sonnenschein begrüßte uns eine Orca-Schule die aus einer Eisbucht heraus und weiter am Schiff vorbei schwamm.

Nach diesem bezaubernden Tag verabschiedeten wir uns aus dem Eis und fuhren in Richtung Norden hinaus auf die offene See. Nach vier Wochen im ruhigen Eis, musste man sich erst wieder an die schaukelige See gewöhnen. Und schließlich warteten die berühmt, berüchtigten Furious Fifties und Roaring Forties auf uns. Doch auch hier blieben die Stürme aus und die Arbeiten an Bord konnten ohne meteorologische Störungen weitergehen. Ein kleines Manko beim Transit von der Antarktis bis nach Tasmanien stellte der fehlende Sonnenschein dar. Der typische maritime Stratocumulus begleitete uns fast durchgehend. Größere Wolkenlücken traten meist nur für wenige Stunden auf. Und es wurde auch plötzlich wieder Nacht. Mit der Fahrt in niedrigere Breiten konnten wir wieder Sonnenunter- und aufgänge beobachten. Da wir aber gleichzeitig ostwärts fuhren, waren wir nun gezwungen auch die Uhren an Bord allmählich den Zeitzonen anzupassen. Insgesamt musste neun Mal die Uhr jeweils eine Stunde vorgestellt werden. Das hieß, dass fast jeden zweiten Tag die Nacht um eine Stunde verkürzt wurde.

Ende Januar kam dann endlich wieder Land in Sicht. FS Polarstern lief in Hobart/Tasmanien ein. Zur Begrüßung wartete der australische Forschungseisbrecher RV Nuyina im Hafen auf uns. Aktuell befindet sich FS Polarstern wieder in der Antarktis auf dem dritten Teil des Projektes EASI-3. Die aktuelle Position von FS Polarstern mit Infos zu den Expeditionen findet man hier (Follow_Polarstern).


MSc Sonja Stöckle
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 16.03.2024

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