Aus den Augen, aus dem Sinn? (Sturm-)Tief KIRSTI

Tief KIRSTI sorgte am vergangenen Samstag und in der Nacht zum Sonntag für kräftige Regenfälle in Teilen Deutschlands, ehe es ostwärts abzog. Danach drehte das Tief aber erst so richtig auf. Mehr dazu im heutigen Thema des Tages.

Eine mehrtägige, landesweite Hochdruckphase; das gab es die letzten Wochen beziehungsweise besser Monate kaum. Aber nun ist Hoch HALIL da, das bereits am gestrigen Montag verbreitet für ruhiges und sonniges Sommerwetter sorgte. Dem steht der heutige Dienstag in nichts nach, ganz im Gegenteil: Mit verbreitet 28 bis 35 Grad wird es noch 'ne ganze Ecke wärmer. Die Zeichen stehen also auf Freibad-, Badesee- und Eisdielenbesuch.

Ganz anders sah es am vergangenen Wochenende aus. Im Bereich einer quer über Deutschland liegenden Luftmassengrenze kam es zu kräftigen Regenfällen. Los ging es bereits in der Nacht zum Samstag als ein kleinräumiges Tief entlang der Luftmassengrenze nordostwärts zog und so in einem Streifen von Rheinland-Pfalz und dem Saarland bis nach Thüringen und den Norden Sachsen-Anhalts verbreitet 15 bis 30 l/qm in wenigen Stunden brachte, wobei lokal auch noch deutlich mehr gemessen wurde. Ähnliche Mengen gab es auch in der Nacht zum Sonntag, als mit KIRSTI bereits das nächste Tief über die Mitte des Landes ost-/nordostwärts zog. Dieses Mal war sogar ein noch größeres Gebiet betroffen, das sich etwa von der Eifel und dem Schwarzwald bis zur Oder aufspannte. In einem Streifen vom Harz bis in den Berliner Raum kamen sogar 30 bis rund 60 l/qm Regen innerhalb weniger Stunden vom Himmel.

Nachdem KIRSTI Sonntagfrüh ostwärts abgezogen war, sorgte HALIL von Westen her für eine zunehmende Wetterberuhigung. So weit, so gut: HALIL ist nun in aller Munde und für KIRSTI gilt eher der Ausspruch "Aus den Augen, aus dem Sinn.". Dabei war es durchaus wichtig, seinen Blick auch weiterhin auf dieses Tief zu halten. Im Laufe des Sonntags mauserte sich KIRSTI nämlich zu einem optisch höchst ansprechendem Wolkenwirbel.


Da könnte man glatt vergessen, dass es dabei um die Entwicklung eines ausgewachsenen Sturmtiefs handelte; ein dort für die Jahreszeit eher seltenes Ereignis. Dessen volle Wucht bekam vor allem das Baltikum zu spüren. Einige lettische Stationen meldeten Regenmengen von 50 bis 100 l/qm in gerade einmal 12 Stunden! In Riga beispielsweise fielen zwischen Sonntagabend und Montagmorgen 97,2 l/qm in 12 Stunden. Normalerweise fallen dort knapp 80 l/qm; im gesamten Juli wohlgemerkt! Der lettische Wetterdienst hatte im Vorfeld für Riga und weitere Teile des Landes die höchste Warnstufe ausgegeben.

Dazu kommt; was ein Sturmtief letztlich ausmacht; natürlich noch der Sturm. Auf seinem Weg ins Baltikum beziehungsweise nach Osteuropa sank der Druck im Kern des Tiefs bis Montagvormittag auf 992 hPa. Über Deutschland zeigten die Barometer dank Hoch HALIL dagegen bis zu 1026 hPa, es hatte sich also ein ordentlicher Druckgradient entwickelt. In der Folge kam es in weiten Teilen Litauens und in der Westhälfte Lettlands wiederholt zu Sturmböen zwischen 65 und 85 km/h. In Riga wurden um 4 Uhr Montagfrüh sogar knapp 100 km/h gemessen.

Medienangaben zufolge waren durch den Sturm in Lettland und Litauen rund 200.000 Haushalte ohne Strom. Dazu wurden Bäume entwurzelt und in Folge der hohen Regenmengen kam es zu Überflutungen. Traurigerweise wurde in der Nähe von Vilnius ein Mann von einem umstürzenden Baum erschlagen. Mittlerweile ist KIRSTI nach Russland abgezogen und hat sich dabei deutlich abgeschwächt. Damit gelangt das Baltikum nun auch in den Einflussbereich von Hoch HALIL und das Wetter beruhigt sich. Ob in der Region für das Sturmtief aber ebenfalls der Ausspruch "Aus den Augen, aus dem Sinn." gilt, darf bezweifelt werden...


Dipl.-Met. Tobias Reinartz

Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 30.07.2024

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