Weltrekord in Lindenberg: Seit 105 Jahren ungebrochen


Am 01. August 1919 wurde in Lindenberg (Brandenburg) der Weltrekord des höchsten Fluges einer Drachenkette aufgestellt. Bis heute ist dieser Rekord ungebrochen.

Das Meteorologische Observatorium in Lindenburg wurde 1905 als "Königlich-Preußisches Aeronautisches Observatorium Lindenberg" gegründet mit dem Schwerpunkt auf Aerologie, also der Höhenwetterkunde. Der erste Leiter des Observatoriums war kein Geringerer als Richard Aßmann, der 1902 durch seine aerologischen Forschungen zeitgleich mit Léon-Philippe Teisserenc de Bort die Stratosphäre entdeckte. Seit jeher ist eine der Kernaufgaben des Observatoriums die Messung meteorologischer Parameter in der Atmosphäre und die Weiterentwicklung derer Messtechniken. Die "Lindenberger Säule" dient damit der Wetter- und Klimaüberwachung seit über 100 Jahren.


Zur Zeit der Gründung des Observatoriums sah die Technik noch anders aus als heutzutage. Die Messinstrumente waren mechanisch und wogen teils mehrere Kilogramm. Es gab noch kein globales Navigationssatellitensystem, das eine horizontale Verlagerung von Messinstrumenten hätte aufzeichnen können. Sobald ein Messinstrument in den Wolken verschwand, wusste man nichts mehr über dessen genaue Position. Um ein vertikales Profil der Atmosphäre zu bekommen, wurden routinemäßig zwei Methoden angewandt. Bei windschwachen Wetterlagen wurden Messinstrumente mit einem teils bemannten, teils unbemannten Fesselballon in die Höhe gelassen. Der bodengebundene Ballon erreichte Höhen über 10000 Meter. Bei windstarken Wetterlagen waren Ballonstarts nur sehr schwierig zu bewältigen. Bei solchen Lagen kamen dann Drachen zum Einsatz.


Unterhalb des Drachens hingen sogenannte "Meteographen". Mit diesen mechanischen Instrumenten wurden Temperatur, Luftdruck und Luftfeuchtigkeit gemessen und die entsprechenden Werte mittels eines Messzeigers auf einem eingelegtem Registrierpapier aufgezeichnet. Wenn das Messgerät wieder den Boden erreichte, konnte man die Werte ablesen. Es gab bereits vor der Gründung des Observatoriums Lindenberg viele Versuche mit Drachenaufstiegen. Mit der Zeit entwickelte man die Drachenkonstruktion weiter, wodurch immer größere Höhen erreicht wurden. Auch der Verlust durch Abreißen der Leine wurde mit der Zeit minimiert. Die Leine bestand dabei aus metallischem Draht unterschiedlicher Dicke.


Am 01. August 1919 wurde nach einem Fehlstart des Fesselballons entschieden, das Vertikalprofil der aktuellen Atmosphäre mittels Drachenaufstieg zu erhalten. Der erste Drachen wurde in die Luft gelassen, an dem der Meteograph befestigt war. Der Drachen hatte dabei eine Angriffsfläche von 10 Quadratmetern. Diese reichte aus, um den Meteographen erst mal in die Höhe zu ziehen. Da das Eigengewicht des Drahtes weiteres Steigen verhinderte, wurden sogenannte Hilfsdrachen eingesetzt, die das Gewicht des Drahtes in der Luft hielten. Bei dem Rekordflug wurden insgesamt acht Drachen eingesetzt die 15000 Meter Draht mit einem Gesamtgewicht von 115 Kilogramm trugen. Als der Drachenzug wieder am Boden gelandet war, wurden die Messwerte abgelesen. Der Barograph stieß bei 9190 Metern an seine Grenze. Die Temperaturmessung ließ aber darauf schließen, dass der Drachen noch weiter aufgestiegen war. Geht man von einem gleichbleibendem Temperaturgradienten aus, ergibt sich damit eine Maximalhöhe von 9740 Metern. Das ist bis heute ein nie wieder erreichter Weltrekord.


Mit beteiligt an dem Rekordflug war Georg Heinrich Friedrich Stüve. Das von ihm entwickelte "Stüve-Diagramm" zur Auswertung von Temperatur, Luftdruck und Luftfeuchtigkeit in Abhängigkeit der Höhe ist auch heute noch eine beliebte Darstellung von aerologischen Messdaten. In den Jahren hat sich die Messtechnik jedoch deutlich geändert. Durch moderne Radiosondenaufstiege werden heutzutage regelmäßig Höhen von über 30 Kilometern erreicht. Die Messmethoden sind meist auf elektrische Kapazität basiert. Die Messinstrumente wiegen dabei nicht mal mehr 100 Gramm und senden ihre Daten per Funkverbindung an die Bodenstation. Zusätzlich kann das Verdriften des Ballons mittels GPS bestimmt werden. Des Weiteren erfolgt die Vertikalsondierung der Troposphäre auch durch Fernerkundung vom Boden aus.


Im operationellen Betrieb wird der Weltrekord des höchsten Fluges einer Drachenkette also nicht gebrochen werden. Auch sonst wird es schwierig. Man müsste bei passendem Wetter einen großen Bereich des Flugraumes sperren. Und bräuchte zudem noch geübtes Personal und die passende Ausrüstung. Das historische Windenhaus, indem die Drachenwinde steht, existiert auch heute noch. Wer Lust hat, kann den Ort des Weltrekordes also noch besichtigen. Das nahegelegene Wettermuseum bietet zudem noch bis Ende August speziell für Familien ein Sommerferienprogramm an.

MSc Sonja Stöckle
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 04.08.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

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